Fey 04: Die Nebelfestung
können. Alle waren miteinander ausgekommen. Der Tabernakel und der Palast hatten Hand in Hand gearbeitet. Jetzt fürchtete man sich voreinander.
Die Fey würden die Insel am Ende doch noch einnehmen, indem sie die Inselbewohner einfach gegeneinander kämpfen ließen.
»Na schön«, sagte Stowe. »Bring mich zum Ältesten Porciluna.«
Vielleicht hatte er mehr Verstand als die Auds. Es war sinnlos, mit jungen Burschen zu diskutieren, wenn er sich mit jemandem unterhalten konnte, der mehr zu sagen hatte.
Der junge Aud nickte. Der später hinzugekommene entließ ihn mit einer Handbewegung, woraufhin der erste in einem langen Korridor verschwand.
Stowe war sich nicht sicher, ob ihm Porciluna weiterhelfen konnte. Porcilunas Ehrgeiz, selbst Rocaan zu werden, war kein Geheimnis. Wahrscheinlich war es ihm recht, wenn Matthias beiseite geschafft wurde, und die Methode, ihn unbewacht zu lassen, war nicht der schlechteste Weg zu diesem Ziel.
Stowes eigene Wachen scharten sich um ihn. Er drehte sich um: »Zurück, Männer«, sagte er leise. »Durchsucht das Gelände. Sobald euch etwas Verdächtiges auffällt, sagt mir Bescheid.«
»Das halte ich nicht für sehr klug«, sagte der zweite Aud.
»Entweder sie sehen sich um, oder ich bringe sie mit herein«, erwiderte Stowe. »Diese Verzögerung ist nicht sehr klug. Um es genauer auszudrücken, sie verärgert mich maßlos. Der König schickt seine Wache hierher, um den Rocaan zu schützen.«
»Offen gesagt, Mylord, können wir das nicht wissen. Der gesamte Tabernakel hat von dem Streit heute nachmittag gehört. Ich an der Stelle des Königs …« Der Aud unterbrach sich und schüttelte den Kopf.
Er mußte den Satz nicht beenden. Stowe wußte, was er hatte sagen wollen. Der König hatte jedes Recht, sich an Matthias zu rächen. Jedes Recht. Sogar die Auds wußten das, obwohl sie eigentlich ihr Oberhaupt beschützen sollten.
Die Wachen hatten sich zurückgezogen. Einige gingen quer über den Hof und unterhielten sich leise über die Gestaltung der Steinfliesen. Andere suchten in Büschen und Stauden oder inspizierten das Seil.
Stowe mußte sich zusammenreißen, um nicht zu seufzen. Mehr als alles andere haßte er es zu warten. Der Aud war eine kleine Hürde. Er konnte den Burschen beiseite schieben und die Treppe hinaufrennen. Doch in diesem Moment öffnete sich eine Seitentür, und Porciluna trat heraus. Er trug einen Morgenmantel aus Satin, und das Schwert um seinen Hals war das einzige äußere Zeichen für seine Stellung. Seine Wangen waren vom Schlaf gerötet, und seine Augen sahen aus, als habe er sie eben erst wachgerieben.
»Der Aud berichtet mir, der König habe Euch hergesandt, um den Rocaan zu schützen«, sagte Porciluna. »Reden wir vom gleichen König? Alexander ist doch nicht von den Toten auferstanden, oder?«
Porcilunas Worte schmerzten. Kein Wunder, daß ihn der alte Rocaan übergangen hatte. Porciluna würde es niemals zu einem guten Diplomaten bringen.
»Nein«, erwiderte Stowe, wobei er sich bemühte, gelassen zu bleiben. »Er ist nicht von den Toten zurückgekehrt. König Nicholas bedauert seinen Wutausbruch und hat über das, was ihm der Rocaan gesagt hat, nachgedacht. Der Rocaan hat recht; die Blaue Insel braucht ihn. Der König schickt ausgebildete Soldaten zu seinem Schutz.«
»Die Blaue Insel braucht das Wissen des Rocaan«, sagte Porciluna beinahe unhörbar. Stowe betrachtete ihn aufmerksam. Wenn er jemals einen der Lords auf diese Weise über Nicholas reden hörte, würde er es dem König auf der Stelle berichten. Dem Rocaan gegenüber verspürte er diese Loyalität nicht.
»Die Insel braucht den Rocaan«, beharrte Stowe. »Ich möchte vor seinen Türen Wachen aufstellen, ebenso auf seinem Balkon und auch sonst im Tabernakel.«
»In Anbetracht der gegenwärtigen Beziehungen zwischen dem Palast und dem Tabernakel, wäre der Rocaan ein Narr, sich auf diesen Vorschlag einzulassen«, grinste Porciluna. »Ich hingegen halte es natürlich für eine ausgezeichnete Idee.«
»Dessen bin ich mir sicher«, sagte Stowe, dem es gelang, ohne Sarkasmus in der Stimme zu sprechen. »Laßt mich mit dem Rocaan reden. Letztendlich ist es seine Entscheidung.«
Porciluna spielte mit dem kleinen Schwert an seinem Hals. »Wißt Ihr, ein derartiges Vorhaben ist höchst ungewöhnlich.«
Stowe unterdrückte ein Seufzen. War der Mann auf ein Schmiergeld aus? Das wäre wohl noch ungewöhnlicher gewesen. »Der König befürchtet, daß schon bald etwas geschehen
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