Fey 04: Die Nebelfestung
mit dem Weihwasser.
Ein Schrei, der nicht sein eigener war, erfüllte den Raum. Das Gewicht floh von seiner Brust, der Druck wich aus seinem Geist. Jewel verschwand. Plötzlich war es nicht mehr völlig dunkel. Er nahm einen wirklichen Atemzug. Es roch nach verbranntem Fleisch.
»Hilfe!« schrie er so laut er konnte.
Neben ihm schlug etwas auf das Bett. Die Glut aus dem Kamin beleuchtete eine Fey-Gestalt, die vom Bein aufwärts im Schmelzen begriffen war. Der Fey schrie.
Andere Fey waren in den Raum gestürzt. Matthias erkannte eines der Gesichter. Burden. Derjenige, der die Siedlung geleitet hatte. Matthias schnappte sich die nächsten Glasflaschen vom Nachttisch, entstöpselte sie und schleuderte sie den Fey entgegen.
Die Flaschen zersprangen auf dem Fußboden. Die Fey-Frau, die ihm am nächsten stand, schrie gellend und versuchte, zur Tür hinauszulaufen. Das Wasser mußte sie getroffen haben, denn ihre Beine gaben unter ihr nach. Auch der Mann neben ihr brach zusammen, und der Geruch nach versengtem Fleisch wurde stärker. Matthias stand jetzt auf dem Bett und schob das sich windende Fleisch mit dem Fuß hinunter. Seine Hand tat weh, seine Finger schlossen sich nicht richtig.
Er entkorkte die nächste Flasche und warf sie von sich, dann die nächste und die nächste. Die Fey rannten auf die Türen zu. Matthias sprang vom Bett und rannte, Wasser um sich spritzend, hinter ihnen her. Drei weitere von ihnen gingen zu Boden und verwandelten sich in schmelzende Hautpfützen.
Burden erreichte die Tür des Gemachs, zog sie auf und stürzte in den Korridor. Eine Fey rutschte aus, und Matthias übergoß sie mit Wasser. Ein Teil des Wassers spritzte auf eine nicht weit genug entfernte Fey, und auch sie fing zu schreien an.
Dann traf ein Lichtblitz Matthias’ Gesicht. Er riß eine Hand empor, um seine Augen zu schützen, sah noch, wie ein Funke an ihm vorbeihuschte. Für einige Sekunden war die Luft rot und grün. Er schleuderte das Wasser rings um sich, falls sie ihn noch einmal anzugreifen versuchten, doch da war nichts mehr außer den Schreien der Sterbenden rings um ihn herum.
Als er wieder etwas sehen konnte, sah er einen weiteren Fey, der mit aneinandergeschmolzenen Beinen halb auf der Schwelle lag. Im ersten Moment dachte Matthias, es sei Burden, aber er war es nicht. Dieser Fey war zu alt.
»Hilf mir«, sagte er mit schwerem Akzent in der Inselsprache.
Matthias beugte sich einen Augenblick über ihn. Dann schüttelte er den Kopf. »Du bist gekommen, um mich zu töten. Ich habe keinen Grund, dir zu helfen.«
»Du bist ein heiliger Mann«, sagte der Fey. Er mußte große Schmerzen haben, denn er schrie beinahe.
Matthias nickte. »Ich bin ein heiliger Mann«, sagte er, »und meine Aufgabe besteht darin, die Blaue Insel von solchen wie dir zu säubern.«
18
Stowe nahm zwei Stufen auf einmal. Ein gräßlicher Schrei hallte vom oberen Stockwerk herab. Dann hörte er einen gewaltigen Knall und einen Hilferuf, gefolgt vom Geräusch splitternden Glases und dem dumpfen Poltern zu Boden stürzender Körper.
Stowe erreichte den ersten Treppenabsatz, drehte sich um und rief: »Wir brauchen Verstärkung!«
Zwei Wachen waren schon halb die Treppe herauf. Einer von ihnen gab den Befehl nach unten weiter. Der Aud rannte in einen Seitenflügel. Ein anderer Aud stand starr vor Schreck mit einer Flasche Weihwasser in der Hand oben an der Treppe.
Wieder hob das Kreischen an, jetzt mehrere Stimmen gleichzeitig, langgezogene, grauenhafte Schreie, die aufeinanderprallten und sich miteinander vermengten. Jetzt war Stowe oben angekommen. Er riß dem Aud das Weihwasser aus der Hand, und der Junge wäre vor Angst beinahe zusammengebrochen.
»Hol Hilfe, mein Sohn«, sagte Stowe. Er zog sein Schwert und eilte weiter, die Flasche mit dem Weihwasser in der anderen Hand bereit.
Der Flur war lang, breit und vom Licht vieler Fackeln erleuchtet. Noch während Stowe ihn hinuntereilte, öffnete sich am anderen Ende eine Tür, aus der ein Fey herausgerannt kam. Er schrie nicht. Das mußte er auch nicht. Seine panische Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ein weiterer Fey folgte ihm, kreischte dann auf und stürzte vornüber.
Der erste Fey erblickte Stowe und versuchte umzudrehen.
»Rühr dich nicht«, sagte Stowe, »oder ich töte dich auf der Stelle.«
Der Fey drehte sich halb um und erstarrte in einer Haltung, in der er sowohl Stowe als auch die Tür im Auge behalten konnte. »Laß mich gehen«, sagte er. »Ich
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