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Fey 05: Der Schattenrpinz

Fey 05: Der Schattenrpinz

Titel: Fey 05: Der Schattenrpinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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ständig und häufte sogar im Sommer einen Berg Decken über sich. Wenn Gabe ihn über die Verbindung besuchte, mußte er die Decken oft abwerfen.
    Das Schlafzimmer befand sich in einem kleinen Turm, der sich über den Garten erhob. Zwei Fenster, eines auf jeder Seite, boten einen hübschen Ausblick auf die Blumenbeete hinab. Die Gobelins vor den Fenstern waren zurückgebunden und ließen eine frische Brise herein. Sebastian stand links von Gabe am Fenster. Er starrte geradeaus in den blauen Himmel und auf die kreisenden Vögel, als wünsche er nichts sehnlicher, als mit ihnen davonzufliegen. Seine Arme baumelten schlaff von den Schultern herab und sahen nutzlos aus, obwohl sie es nicht waren.
    Gabe hatte diesen Wechselbalg, diesen Golem, dieses Geschöpf, das er wie einen Bruder liebte, noch nie in Fleisch und Blut gesehen. Die Verbindung war wie ein Faden, der sie verband, ein Faden, an dem sich Gabes Bewußtsein entlanghangeln konnte, Sebastians war nicht dazu in der Lage. Schon als Kinder hatten sie festgestellt, daß Sebastian sein eigenes Bewußtsein Gabe verdankte. Jedesmal, wenn Gabe Sebastians Körper besuchte, hinterließ er dem Golem einen kleinen Teil seines Selbst, und diese Teile hatten angefangen, ein Eigenleben zu führen. Sebastian dachte selbständig und betrachtete sich von dem Moment an, als Gabes Mutter ihn zum ersten Mal auf den Arm genommen hatte, als eigenständiges Wesen. Dieses Eigenleben pflegte er jedoch vor Gabe zu verheimlichen, weil er befürchtete, Gabe würde seinen Körper ein für allemal übernehmen. Im Alter von fünf Jahren hatte Gabe das herausgefunden, und es war ihm gelungen, seinen Bruder zu beruhigen. Seit diesem Augenblick waren sie enge Freunde und Vertraute.
    Brüder.
    Vielleicht sogar mehr.
    Zwei Teile eines Ganzen.
    Aber sie hatten sich noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden.
    Gabe hatte Sebastian sein Kommen angekündigt, aber Sebastian hatte sich nicht sonderlich beeindruckt davon gezeigt. Manchmal waren Taten das einzige, was Sebastian verstand.
    Sebastian hatte Gabe nicht eintreten hören. Gabe brauchte einen Moment, um sich zurechtzufinden. Sebastian war so groß wie er selbst, aber kräftiger gebaut und ruhiger.
    Außerdem trug er eine lange, weiße, bestickte Robe. Gabe ahnte, daß diese Kleidung an diesem Nachmittag noch für Probleme Anlaß geben würde.
    »Sebastian?« sagte Gabe.
    Sebastian zuckte zusammen. Dann drehte er sich langsam um, wobei er seine Füße zentimeterweise bewegte. Das war Sebastians Version eines Herumwirbelns und brachte seine Schwester oft zum Lachen. Schließlich erblickte er Gabe, und seine Augen weiteten sich.
    Er öffnete den Mund, und Gabe wußte, was jetzt kommen würde.
    Ein Schrei.
    Im nächsten Augenblick hatte Gabe den Raum durchquert und die Hand auf Sebastians Mund gepreßt. Sebastian fing tatsächlich zu schreien an, ein rauhes, rasselndes Geräusch, das Gabe einen Schauer über den Rücken jagte. Aber seine Hand erstickte fast jeden Laut.
    »Ich bin es«, sagte er. »Gabe.«
    Sebastian schüttelte langsam, aber mit solchem Nachdruck den Kopf, daß Gabes Finger wegzurutschen drohten.
    »Gabe«, wiederholte er. »Ich bin Gabe.«
    Sebastian fuhr fort, den Kopf zu schütteln. Er rollte vor Angst mit den Augen. Sebastian hatte Gabe nie anders als ein zweites Ich empfunden, nicht als ein von ihm getrenntes Lebewesen. Das lag daran, daß Gabe die Verbindung benutzen konnte und Sebastian nicht. Sebastian war in seinem eigenen Körper gefangen. Gabe wußte das, aber er hatte gedacht, er hätte es auch Sebastian hinreichend erklärt.
    Anscheinend nicht gut genug.
    Gabe warf einen Blick auf die offene Tür, hoffte, daß niemand den erstickten Schrei gehört hatte, und schloß die Augen. Er dehnte seinen Geist in die Verbindung hinein, ein ihm vertrautes Verhalten, seit er denken konnte. Dann ließ er sich den feinen Faden entlanggleiten, verblüfft über die Kürze der Reise. Eben noch befand er sich in seinem eigenen Körper, im nächsten Augenblick schon in dem Sebastians.
    Von innen gesehen wirkte Sebastians Körper riesenhaft. Sie trafen sich immer hinter den Augen. Sebastians inneres Selbst war ein nur teilweise ausgeformtes Kind mit geisterbleichem Körper und gehetztem Blick. Gabe kauerte sich neben diese vertrautere Gestalt seines Freundes und Gefährten.
    Ich bin es, sagte er und deutete auf den Ausblick durch Sebastians Augen. Der Mann da. Das bin ich.
    Sebastian schüttelte wieder den Kopf – außerhalb

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