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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Spur. Diese Spur hier war frisch. Sehr frisch. Kaum älter als ein paar Wochen.
    Seltsam, denn die meisten Spuren des Mannes waren schon Jahrzehnte alt.
    Dieser neue Abschnitt der Spur war klar und deutlich: Er besaß eine goldene Mitte, umgeben von Abdrücken, die Boteen nicht deuten konnte. An den Rändern verblaßte das Gold zu Silber, und an dieser frischen Stelle hier hatte sich das Silber sogar in Rot verwandelt.
    Der Anblick jagte Boteen einen Schauder über den Rücken. Dieser Zaubermeister hatte schon zweimal mit dem Tod gerungen.
    Zweimal hatte seine Zauberkraft ihn gerettet.
    Er mußte wahrhaftig ein mächtiger Mann sein.
    Auf dem Boden vor Boteen befand sich ein großer Abdruck, so groß wie ein Mensch. Boteen war mit der Hand durch das Gras gefahren, hatte sogar mit den Fingern in der Erde gewühlt, aber gefunden hatte er weiter nichts außer der Auskunft, daß der Zaubermeister an dieser Stelle knapp dem Tod entronnen war.
    Aber da war noch der Fluß.
    Er schien förmlich nach Boteen zu rufen.
    Der Fluß roch nach Blut.
    Nach dem Blut des Zaubermeisters.
    Boteen wischte sich die nasse Hand an einem Grasbüschel ab und beschloß, es noch einmal zu versuchen. Diesmal holte er tief Luft. Er würde die Spur eingehend prüfen. Mit der übrigen Magie im Wasser konnte er sich später befassen.
    Er tauchte seine Hände in die klare Kälte, erforschte mit seinem Geist die schlammigen Tiefen, bis seine Finger ein Seil streiften. Er packte und drückte es. Das Seil fühlte sich so matschig an, als griffe er in bloßen Schlamm.
    Boteen öffnete die Finger und versuchte es ein zweites Mal. Das Seil nahm erneut Gestalt an. Diesmal bohrte Boteen einen Finger hinein. Ein Blitz schoß durch seinen Geist. Ein Blitz – ein Bild – ein flüchtiger Eindruck …
    Während er sank, rann Blut aus den Wunden in seinem Gesicht. Das Blut strömte aufwärts und verdunkelte die mondbeschienene Wasseroberfläche.
    Er ertrank …
    Boteen riß sich zusammen und zwang sich zu atmen. Nicht er war es, der ertrank. Er bekam genug Luft. Er hatte eine alte Erinnerung berührt. Eine im Fluß treibende Erinnerung …
    Aber er wollte leben. Er mußte leben.
    Er trat Wasser, zuerst noch schwach, dann mit zunehmender Kraft. Seine Beine waren unverletzt. Seine Lungen schmerzten, aber sie brannten nicht. Wie lange konnte ein Mensch unter Wasser die Luft anhalten?
    Er wußte es nicht …
    Boteen fühlte es. Das Kreisen der Magie. Dies war ein entscheidender Moment. Hier hatte der Inselzauberer sein Rot erworben …
    Wieder trat er Wasser, jetzt schon lebhafter, bis ihn die Kraft seiner Beine an die Oberfläche trieb. Das Blut wirbelte um ihn herum. Mit einem Mal gerann es und bildete ein klebriges Seil, an dem er sich hochziehen konnte.
    Er phantasierte.
    Er starb.
    Das Seil riß …
    Boteen fühlte, wie ihm das Seil aus den Fingern glitt.
    »Nein!« schrie er und griff so hastig danach, daß er fast in den Fluß gestürzt wäre.
    Dann merkte er, daß dies nicht seine eigene Panik war. Es war ein Widerhall der Panik des Inselzauberers.
    Boteen hockte sich wieder hin, die Finger immer noch im Wasser.
    »Komm zurück«, flüsterte er. »Komm zurück.«
    Das Seil erschien erneut. Boteen spürte seine Nähe im Wasser: dick, glitschig und warm.
    Beinahe heiß.
    Wie Blut.
    Der Blutgeruch wurde immer stärker.
    Boteen wartete, bis das Seil seine Hand berührte, dann bohrte er erneut den Finger hinein.
    Das Blut sammelte sich wieder und verwob sich erneut zum Seil. Wieder zog er daran, trat Wasser und strampelte. Er kam immer noch ohne Luft aus. Vielleicht war er doch schon tot.
    Wenn dem so war, würde er sich mit Zähnen und Klauen den Weg zum Angesicht Gottes erkämpfen. Er würde nicht für immer hier unten in Dunkelheit, Kälte und Nässe verweilen.
    Wieder trat er und zog an dem Seil, und plötzlich durchstieß sein Kopf die Wasseroberfläche. Er befand sich noch immer mitten im Cardidas. Der Mond versilberte das Wasser, außer dort, wo sein Blut schwamm. Nur an den Stellen, an denen sich sein Blut sammelte, erschien der Fluß schwarz.
    Schwarz.
    Die Bilder verschwammen. Boteen zog die Hände aus dem Wasser und hockte sich auf die Fersen.
    Vor einer Woche, direkt vor der Invasion. Diese Blutspur war tatsächlich frisch.
    Der Inselzauberer hatte seine Macht benutzt, um seine eigene Haut zu retten.
    Das hatte er schon einmal getan. Ein einziges Mal. In der Nähe des Palastes. Dort hatte Boteen zwar schwache Eindrücke empfangen, aber sie waren mit

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