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Fey 09: Die roten Klippen

Fey 09: Die roten Klippen

Titel: Fey 09: Die roten Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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haben, sie zu gewinnen.«
    »Und was ist deine persönliche Meinung?« fragte Rugad.
    Die Irrlichtfängerin blinzelte. »Meine Meinung, Herr?«
    Rugad nickte knapp, eine herrische, militärische Bewegung, die ihre Wirkung auf Untergebene selten verfehlte.
    »Ich persönlich glaube, daß wir überrumpelt wurden. Die Infanterie kann sich gegen derartige Waffen kaum schützen. Unsere Leute sind nicht daran gewöhnt, bei ihren Gegnern auf magische Fähigkeiten zu stoßen. Vielleicht können wir jetzt, wo wir über die Zauberkräfte der Inselbewohner Bescheid wissen …«
    »Wissen wir das denn?« unterbrach Rugad sie.
    »Wissen wir was, Herr?«
    »Wissen wir über ihre Zauberkräfte Bescheid?«
    Wirl öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Offenbar hatte sie über diese Frage noch nicht nachgedacht.
    »Ein Bannfluch ist ein sehr simpler Zauber. Für mich hört es sich eher danach an, als hätten die überraschten Inselbewohner ihn aus reinem Zufall ausgesprochen, nicht, als hätten sie ihr Vorgehen sorgfältig geplant. Wir wissen nicht wirklich über ihre Fähigkeiten Bescheid, oder?«
    »Ay’Le …«
    »Ay’Le ist Hexerin, keine militärische Anführerin. Mir kommt es mehr auf Licia an. Sie hat einen guten Ruf als Visionärin, wenn auch mit geringen Kräften, ebenso als ausgezeichnete Strategin. Die Lage muß schon sehr verzweifelt gewesen sein, wenn sie den Rückzug befohlen hat.«
    »Aber sie hat die Stadt ausschließlich mit der Infanterie angegriffen.«
    »Eine durchaus kluge Entscheidung, wenn man die schlechte Verfassung der zauberkräftigen Soldaten bedenkt, finde ich.«
    »Aber die Infanteristen konnten der Magie der Inselbewohner nichts entgegensetzen«, wandte Wirl ein. Offenbar wiederholte sie eine Formulierung, die Ay’Le ihr eingetrichtert hatte. Ay’Le hatte die Irrlichtfängerin behext.
    »Und du glaubst, zauberkräftige Soldaten wären besser mit der Magie der Inselbewohner fertig geworden?«
    »Herr?«
    »Bring diese Frau zu den Domestiken«, wandte Rugad sich an Selia. »Man hat sie behext, deswegen will sie sich nicht setzen. Sie hat Glück gehabt, daß sie den Flug überlebt hat. Danach schickst du sofort eine ausgeruhte Irrlichtfängerin zu Kendrad. Ay’Le ist auf der Stelle entlassen.«
    »Ich will mich ja nicht einmischen, Herr«, sagte Selia zögernd, »aber Ay’Le ist eine ausgezeichnete Hexerin. Eine unserer besten.«
    »Mag sein«, erwiderte Rugad. »Aber bei diesem Krieg können wir keine Diplomaten gebrauchen, die nicht wissen, womit sie es zu tun haben. Ich setze mein Vertrauen in Licia. Es bedarf einer unglaublichen Übermacht, um eine Anführerin wie sie zum Rückzug zu zwingen.«
    »War der Rückzug denn kein Fehler, Herr?«
    »Sie hat an diese fremde Magie eine ganze Einheit verloren. Ein Fehler wäre es höchstens gewesen, auch noch den Rest der Truppe aufs Spiel zu setzen. Nein«, schloß Rugad. »Nein, das war kein Fehler.«
    »Herr«, wiederholte die Irrlichtfängerin. »Ay’Le bittet um Verstärkung …«
    »Ist schon unterwegs«, brummte Rugad. Dann wandte er sich wieder Selia zu. »Vergewissere dich, daß die Irrlichtfängerin, die du zu Kendrad schickst, sie über das Ausmaß der Magie in dieser Gegend informiert.«
    »Jawohl, Herr«, erwiderte Selia.
    »Und komm sofort wieder, wenn du Wirl bei den Domestiken abgeliefert hast.«
    »Ja, Herr.« Selia drehte sich um und zog Wirl sanft zur Tür. Die Irrlichtfängerin warf Rugad noch einen letzten Blick über die Schulter zu. Ihr Gesicht war ganz eingefallen, und Rugad sah, wie der Hexenzauber sich in ihr ausbreitete. Sie hatte noch jede Menge Ausreden und Erklärungen parat: Boteen hatte sich falsch verhalten; Licia hatte einfach das Kommando an sich gerissen; nur Ay’Le hatte alles richtig gemacht.
    Rugad war tief enttäuscht. Genau wie Selia hatte er Ay’Le für eine fähige Person gehalten. Aber da hatte er sich anscheinend geirrt. Rugad konnte keine Anführer gebrauchen, die jede Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen zurückwiesen und nicht mit Fehlern umgehen, geschweige denn sie zugeben konnten. Aber am meisten Sorgen bereitete ihm der Unterton von Wirls Bericht.
    Panik.
    Jene Panik, die er hier in Jahn nur mit Mühe unterdrückt hatte, als er seinen Truppen eine Visite abgestattet hatte. Die täglich stärker werdende Angst vor den Inselbewohnern und ihrer Macht.
    Damit mußte ein für allemal Schluß sein.

 
33
     
     
    Die Domestiken hatten fast den ganzen zweiten Stock des Palastes besetzt. Die

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