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Fey 09: Die roten Klippen

Fey 09: Die roten Klippen

Titel: Fey 09: Die roten Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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schöner ist die Zeremonie.
    Bei dieser Antwort dachte Nicholas immer, daß sein Vater selbst nicht wußte, woher das Licht kam. Als er erwachsen war, hatte Nicholas seine Kugel in den Händen hin und her gedreht und versucht, sie ohne die Worte des Rocaan zum Leuchten zu bringen. Manchmal hatte er sogar selbst einen Abschnitt der Legende rezitiert, aber ohne den Rocaan weigerte sich die Kugel zu glühen, ganz gleich, was Nicholas sagte oder tat.
    »Ich wußte gar nicht, daß der Roca auf einer Klippe stand«, sagte Nicholas.
    »Ich auch nicht«, meinte Adrian. »Ich dachte immer, er hätte einfach einen Spruch gesagt, und im ganzen Land wurde es hell.« Adrian streckte eine zitternde Hand aus und berührte ehrfürchtig die Lichtkugeln, die der Roca schleuderte.
    »Ist dir schon aufgefallen, daß der Roca hier ganz anders aussieht als auf dem anderen Teppich?« bemerkte Nicholas.
    Adrians Blick wanderte an der Wand entlang von einem Teppich zum anderen. »Er sieht auf keinen zwei gleich aus«, stimmte er zu.
    »Außer, daß er groß ist«, bemerkte Nicholas.
    Adrian schüttelte den Kopf. »Nicht auf allen Teppichen«, widersprach er. »Auf manchen kann man es nicht richtig erkennen.«
    Er hatte recht. Auf manchen Teppichen stand oder saß der Roca allein ohne einen Menschen oder Gegenstand als Maßstab für seine Körpergröße. Auf allen Darstellungen jedoch wirkte er unnatürlich schlank, fast ausgezehrt, so wie Arianna mittlerweile.
    Nicholas stand auf. Er ging quer durch die Höhle zu den Simsen mit den Glaskugeln und betrachtete sie stirnrunzelnd. Sie sahen ganz anders aus als die Kugeln im Tabernakel. Jene waren aus mundgeblasenem Glas gewesen, glatt und vollkommen rund, ohne eingeschlossene Luftbläschen. Sie waren leicht und dünnwandig, wirkten aber unzerbrechlich.
    Diese Kugeln hier waren viel gröber gearbeitet. Das Glas, falls es überhaupt Glas war, war dick und voller Blasen. Auch die Rundung war nicht perfekt. Manche der Kugeln waren fast eiförmig.
    Nicholas nahm eine Kugel in die Hand.
    Licht flammte auf. Im Nu füllte es die ganze Höhle, gleißender als hundert Sonnen. Hinter Nicholas schrie jemand auf. Er drehte sich um …
    … und sah seine Kinder, die sich duckten und die Hände auf die Augen preßten.
    »Legt dieses Ding weg!« brüllte Coulter. »Legt es weg!«
    Nicholas gehorchte sofort. Fast hätte er die Kugel einfach fallen gelassen, aber er befürchtete, daß sich das Licht dadurch vielleicht noch mehr ausbreiten würde. Deshalb legte er die Kugel mit äußerster Vorsicht wieder auf das Sims zurück.
    Ganz allmählich erlosch das blendende Licht. Zuletzt glühte es noch einen Augenblick im Zentrum der Kugel, schließlich erlosch es ganz.
    Nicholas wischte sich hastig die Hände an der Hose ab und rannte die Treppe hinunter zu seinen Kindern.
    Jewel war wieder da. Sie hob die Hand, um ihn zurückzuhalten. »Zeig mir erst deine Handflächen«, befahl sie.
    Nicholas streckte sie ihr hin. Gabe und Arianna hielten noch immer die Köpfe gesenkt, hatten aber aufgehört zu schreien.
    Sie hatten sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt.
    Jewel inspizierte Nicholas’ Hände und ließ ihre Fingerspitzen vorsichtig über die Innenflächen gleiten. »Da ist nichts«, stellte sie schließlich fest.
    Nicholas zog die Hände weg und wischte sie vorsichtshalber noch einmal ab. Dann ging er vor seinen Kindern in die Hocke.
    Coulter hatte beide Hände auf Ariannas Schultern gelegt. Das Mädchen wirkte wie erstarrt. Nicholas ergriff mit der rechten Hand Aris linken und mit der linken Hand Gabes rechten Oberarm.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Laßt mich sehen, was passiert ist.«
    Beide hoben langsam den Kopf, und Nicholas’ Herz setzte einen Schlag lang aus. Er hatte sich ihre Gesichter schon mit blutigen, leeren Augenhöhlen vorgestellt. Aber ihre Augen waren noch da. Tränend, gerötet und leicht geschwollen, aber sonst unversehrt.
    »Könnt ihr sehen?« flüsterte er.
    Arianna nickte. »Es hat weh getan, Papa«, sagte sie.
    »Und wie«, stimmte Gabe zu, aber er blickte dabei seine Mutter an, die jetzt neben ihm kniete.
    »Könnt ihr wirklich sehen?« fragte auch sie.
    Da begriff Nicholas die Frage. Könnt ihr wirklich sehen?
    »Keine Ahnung«, antwortete Gabe und berührte seine Augen mit der linken Hand. »Woher sollen wir das wissen?«
    »Das ist ganz einfach«, erwiderte Jewel. »Baut kleine Schattenländer, so wie vorhin.«
    Gabe sah Arianna an. Sie schluckte. »Du

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