Fey 09: Die roten Klippen
fallen ließ. Genau das tat er, und in diesem Augenblick kümmerte sich Fledderer nicht um die flatternden Flügel und den bluttriefenden Schnabel, sondern packte abermals die Füße des Tieres mit der linken Hand und hielt sie so fest, daß seine Arme vor Anstrengung weh taten.
Mit einer Bewegung, die ewig zu dauern schien, riß er das Messer nach oben und vergrub es in der Brust des Vogels.
Die Möwe kreischte auf, der Reiter faßte nach unten, nach dem Messer, aber seine Fey-Arme waren nicht lang genug. Die Flügel schlugen auf Fledderer ein, der Vogel zerrte an seiner Hand. Überall spritzte Blut herum.
Fledderer zog das Messer wieder heraus und stieß dem Reiter die Klinge mit einer raschen Bewegung in den Oberkörper, womit er ihn beinahe vom Vogel abtrennte.
Noch einmal bäumte sich der Vogel auf, dann wurde er still und fiel mit in Fledderers Faust zuckenden Beinen zur Seite. Er konnte ihn nicht mehr halten, so daß er auf seinem Bauch landete. Noch einmal bäumte sich der Vogelkopf auf und rammte ihm den Schnabel mit letzter Kraft in die Brust.
Fledderer brüllte auf und schleuderte das Vieh von sich.
Es landete als blutiger Federklumpen neben Boteen auf dem Boden. Sowohl seine Vogel- als auch seine Fey-Augen waren offen. Und erst in diesem Augenblick erkannte Fledderer, wen er da getötet hatte.
Caw.
Er hatte mit ihr in Nye gedient.
Sie war freundlicher als die meisten Tierreiter gewesen, zumindest einer Rotkappe gegenüber. Es tat ihm leid, daß die Umstände ihn dazu gezwungen hatten, sie umzubringen.
Als er sich mit blutüberströmter Hand durch das Haar fuhr, spürte er, daß er aus einem Dutzend Wunden blutete, drehte sich um und sah Adrian noch immer mit dem Pferdereiter kämpfen. Der Reiter war inzwischen müder geworden, bäumte sich nicht mehr so wild auf, und auch die Schreie des Fey wurden heiserer und leiser. Die Pferdeaugen rollten voller Angst in ihren Höhlen hin und her.
Fledderer schluckte schwer. Die durch den Kampf freigesetzte Energie durchströmte seinen Körper. Er schloß die Finger fest um den Messergriff und näherte sich dem Pferd von der Seite, sorgsam darauf bedacht, die ausschlagenden Hufe zu meiden.
Er haßte das, was er tun mußte, aber er wußte, daß es notwendig war.
Rings um ihn trommelten Pferdebeine auf den Boden, Hufe ließen den Boden unter seinen Füßen erbeben.
Aber er zwang sich nachzudenken.
Ruhig bleiben.
Es ging nicht anders.
Er tänzelte unter das Pferd und rief sich in Erinnerung, was er über Anatomie gelernt hatte. Wie viele Tierreiter hatte er in all den Jahren zerstückelt? Wie vielen hatte er die Haut abgezogen, sie ihrer Knochen beraubt? Ihrer kräftigen Herzen?
Ein Dutzend?
Obwohl das alles mehr als fünfzehn Jahre zurücklag, hatte die Rotkappe nichts davon vergessen.
Eine Rotkappe vergißt nichts.
Er flüsterte die Worte vor sich hin, während er unter dem wild ausschlagenden Pferd in die Hocke ging.
Eine Rotkappe vergißt nichts.
Ein Huf landete dicht neben seinem Fuß, und beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren.
Er war zu weit hinten. Genau das war sein Fehler gewesen. Er hatte die entscheidende Stelle um gut zehn Zentimeter verfehlt und wahrscheinlich auch kein anderes Organ getroffen.
Fledderer packte den Messergriff und bat die Mächte um Führung. Hier, an diesem Ort, hielt er den Schwarzen Thron in Händen. Das, was er tat, tat er zum Wohle der Fey, obwohl er dabei Fey töten mußte.
So fest er konnte, rammte er das Messer in den Bauch des Pferdes und spürte, wie ihn noch mehr Blut besudelte.
Diesmal schrie das Pferd nicht.
Es bäumte sich noch einmal auf, kippte dann zur Seite und fiel mit einem tiefen Grunzen zu Boden. Adrian stand mit blutigem Schwert über ihm und starrte Fledderer verwundert an.
»Hast du das getan?« fragte er.
Fledderers Herz hämmerte, und sein Atem ging abgerissen. »Vergewissere dich lieber, ob er auch wirklich tot ist.«
Mit einem Mal war sein Körper so schwer, daß er sich nicht mehr bewegen ließ. Seine Wunden taten höllisch weh. Er war mit Blut, Federn und Dreck bedeckt.
Aber er hatte einen Zaubermeister getötet.
Den Zaubermeister der Fey.
Den mächtigsten von allen.
Fledderer grinste.
Soeben hatte Rugad seinen wertvollsten Helfer verloren – an eine Rotkappe.
»Er ist tot«, sagte Adrian. »Und jetzt?«
»Jetzt erzählen wir den anderen, was wir getan haben«, erwiderte Fledderer. »Und von der Streitmacht dort unten.«
Adrian blickte ins Tal. »Großer Gott«,
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