Fey 09: Die roten Klippen

zu machen.«
    »Richtig.«
    »Und wenn es unschädlich gemacht ist und wir es überlebt haben«, fragte sie, »erwartest du dann Nachsicht von mir?«
    »Nein«, sagte er.
    »Ich kann dir das Gelernte nicht mehr nehmen. Und es wird mir nicht möglich sein, das, was ich dir beigebracht habe, aus deinem Verstand zu löschen.«
    Jetzt mußte er lächeln. »Selbstverständlich kannst du das.« Er konnte den Sarkasmus nicht mehr aus seiner Stimme verbannen. »Du kennst doch die beste Methode dafür. Die, die du all die Jahre schon anwendest.«
    »Matthias!« flüsterte Tri warnend.
    »Du kannst mich töten«, sagte Matthias.
    Auch Pausho lächelte. Ihr Lächeln wirkte so kalt, wie das seine gewirkt haben mußte. »Dann habe ich also deine Erlaubnis.«
    »Das nicht«, widersprach er. »Aber du hättest mein Verständnis.«
    Sie lachte und streckte ihm zu seiner Verwunderung die Hand entgegen. »Verbündete?«
    Er ergriff sie. Ihre Finger waren warm und trocken. »Verbündete«, wiederholte er.
    »Bis diese Langen dort auf den Hügeln besiegt sind«, sagte sie.
    »Keinen Augenblick länger«, pflichtete er ihr bei.
    Sie schüttelten sich die Hände, und mit dieser Geste nahm die Verteidigung von Constantia ihren Anfang.

 
23
     
     
    Die letzte Reihe nahm Aufstellung. Licia beobachtete, wie die letzten Fey ihren zugewiesenen Platz einnahmen. Zusätzlich zu ihren Schwertern und Messern trugen sie Bögen über einem Arm und einen mit Pfeilen bestückten Köcher auf dem Rücken.
    Es war ein Zugeständnis an die Kampfweise der Inselbewohner. Schon seit Nye, nachdem gefangengenommene Nye sie davor gewarnt hatten, wie gut die Inselleute mit Pfeil und Bogen umgingen, hatten sich die Fey darauf vorbereitet. Die Warnung hatte sich für den Süden der Insel als berechtigt erwiesen, und Licia hatte keinen Grund, sich hier nicht darauf einzustellen.
    Sie nahm ihre Position auf einem erhöht stehenden, abgeflachten Stein ein. Von hier aus würde sie den Angriff leiten, denn er bot ihr einen vorzüglichen Blick über das Tal. Sie warf einen letzten Blick nach hinten. Der Paß spie keine weiteren Truppen mehr aus, die Sonne war höher geklettert und übergoß das Rot der Blutklippen mit ihrem gelben Licht.
    Die Berge würden ihren Namen am heutigen Tag zu Recht tragen.
    Dann reckte sie die rechte Hand mit geballter Faust in die Luft. Die Soldaten, die ohnehin recht leise gewesen waren, verstummten jetzt ganz. Keiner rührte sich mehr.
    Eine tadellos ausgebildete Truppe.
    Sie wollte ihnen zulächeln, sie wissen lassen, wie stolz sie auf sie war, auf ihre Infanterie, ungeachtet der merkwürdigen Ereignisse vom frühen Morgen. Aber das hätte sie nur irritiert. Ein Fey brüstete sich nicht schon vor der Schlacht.
    Sie öffnete die Faust. Die erste Reihe zog Schwerter und Messer aus den Scheiden. Das Kratzen des Metalls stieg wie Musik in die Morgenluft. Dann ließ sie die Hand fallen und laut und vernehmlich mit der Handfläche auf den Oberschenkel knallen.
    Das Geräusch von Haut auf Haut ging in dem plötzlich aufbrandenden Gebrüll unter. Die Fey stürmten vorwärts und trabten, ihren schrillen Siegesschrei ausstoßend, die Hügelflanke hinunter ins Tal.
    Die Infanteriereihe blieb vorbildlich geschlossen und bewegte sich wie eine mit einer Schnur gezogene Welle auf die Stadt zu. Die Sonne funkelte auf dem Metall ihrer Schwerter.
    Weiter unten sah Licia sämtliche Stadtbewohner mitten in der Bewegung verharren. Ihnen blieben nur wenige Sekunden, um sich auf ihr Ende vorzubereiten.
    Sie lächelte.
    Dann riß sie die Hand abermals hoch und machte sich bereit, die zweite Welle loszuschicken. Ihre Infanterie führte sich tadellos auf. Kein einziges Wort fiel in der vordersten Linie auf dem Hügel. Die Stille hier oben war wie ein lebendiges Wesen. Sie öffnete die Faust und lächelte erneut bei dem Geräusch der gezogenen Klingen.
    Sie ließ die Hand fallen, und die zweite Reihe Infanterie stürmte in perfektem Gleichschritt den Hügel hinab.
    Der gesamte Abhang war von Fey in ledernen Uniformen bedeckt. Der Schlachtruf erregte die Aufmerksamkeit der Inselbewohner, die sich in der Nähe des Steinbruchs aufhielten. Sie sah, wie sie sich auf den Rand ihrer riesigen Erdmulde zubewegten. Die über ihren Köpfen kreisenden Möwen verrieten ihr das gleiche.
    Mit einem Fingerschnipsen entsandte sie einen kleineren Trupp Fey zu ihnen. Sie plante, den Inselbewohnern im Steinbruch ein wenig Hoffnung zu geben, das kurzzeitige Gefühl, daß sie nicht nur