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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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es deutlich sehen, und fuchtelte wild mit den Armen, als kämpfte sie in strudelndem Wasser um ihr Leben. Ihre Beine waren schon weg, im Gefäß verschwunden, und nun wurde auch ihr Oberkörper langsam, aber beständig hineingezogen.
    Sie schrie ihn an, doch ihre Worte gingen im Wind unter. Die untere Hälfte des Gefäßes zuckte in seiner Hand und wurde warm, und während Jewel nach und nach darin verschwand, bildete sich darin ein brauner Nebel.
    Noch einmal streckte sie, mit verzerrten Zügen, Arme und Hände nach ihm aus. Jetzt war ihr Oberkörper schon beinahe verschwunden, es folgten der Hals und kurz darauf der Kopf, dann noch die Hände mit den verzweifelt sich irgendwo festzuhalten versuchenden Fingern.
    Matthias knallte den Glasstöpsel auf das Behältnis und betete darum, daß er den Rand mit genügend Blut versehen hatte. Etwas dergleichen hatte er noch nie zuvor getan und hatte eine Heidenangst davor, daß es nur für eine gewisse Zeit wirkte.
    Der Wind hatte sich verzogen, und bis auf seinen eigenen keuchenden Atem hörte Matthias nichts mehr. Sein Hals fühlte sich an, als würde er brennen. Auch das Behältnis war heiß und zuckte in seiner Hand. Er hielt es nah an die Augen und konnte Jewel darin erkennen, ihre Züge vom Glas verzerrt, die Hände gegen die Wände gepreßt.
    Gefangen. Sie saß in der Falle, und er hatte sie erwischt, genau wie es die Worte versprochen hatten.
    Langsam ließ er sich nieder, der Schwindel in seinem Kopf wurde heftiger, und dazu gesellte sich ein Gefühl der Übelkeit. Wieder wäre er ums Haar gestorben, aber diesmal hatte ihn die Magie des Roca gerettet. Oder er hatte sich selbst gerettet.
    »Wir müssen weiter«, sagte sein Führer.
    Matthias gab ihm keine Antwort. Er hielt das Seelengefäß fest mit der linken Hand umschlossen. Er keuchte immer noch. Sein ganzer Körper schmerzte. Sah der Kerl denn nicht, daß Matthias fast gestorben wäre? Daß er eine Verschnaufpause brauchte?
    »Dafür hast du keine Zeit«, sagte der Führer. »Steh auf.«
    Matthias brauchte mehr Zeit. Er mußte sich um sich kümmern. Wie oft konnte ein Mann dem Tod ins Gesicht blicken, ohne ihm zum Opfer zu fallen? Wieviel Wichtigkeit hatte denn ein einzelnes Leben?
    »Steh auf«, wiederholte der Mann.
    Matthias konnte ihn nicht einmal verfluchen. Dazu fehlte ihm die nötige Luft in den Lungen. Aber innerlich schleuderte er ihm jede Verwünschung entgegen, die ihm einfiel. Der Bursche hatte ihm nicht geholfen, hatte nicht einmal Anstalten dazu gemacht, und jetzt fiel ihm nichts anderes ein, als ihn anzutreiben.
    Trotzdem … Matthias hatte einen Handel abgeschlossen. Er hatte an Marly zu denken. Marly …
    Langsam schob er das Seelenbehältnis zurück in sein Reisebündel. Er mußte es vorsichtig verstauen. Eine falsche Bewegung, und sie war wieder frei. Aber er konnte es auch nicht hier zurücklassen. Obwohl er wußte, daß seit Ewigkeiten niemand mehr durch diese Gänge gekommen war, konnte er sich nur zu gut vorstellen, daß ausgerechnet jetzt jemand vorbeikam, das Gefäß fand und sie freiließ.
    Dann würde sie ihn wirklich umbringen.
    Er zog die Schnüre des Beutels über dem Kopf des Figürchens zu und band ihn an seinem Gürtel fest. Dann stützte er eine Hand auf den Steinfußboden und stemmte sich hoch.
    Der Schwindel überwältigte ihn beinahe. Er taumelte auf die Wand zu, streckte die Hand aus und mußte sich einen Moment festhalten.
    »Hast du schon wieder alles vergessen?« fragte der Mann. »Paß auf dich auf.«
    Auf sich aufpassen? Er wußte nicht, was das bedeutete, und zum Fragen fehlte ihm der Atem. Auf sich aufpassen. Er konzentrierte sich aufs Atmen, darauf, seine Lungen mit Sauerstoff zu versorgen. Das Brennen ließ nach, die Luft strömte ein. Er wußte nicht genau, ob das kam, weil er es so wollte, oder weil er einfach nur lang genug gewartet hatte.
    Ein hämmernder Kopfschmerz setzte ein, doch das war besser als beinahe zu sterben, besser als die Übelkeit und der Schwindel. Mit dem Kopfschmerz würde er schon klarkommen.
    Er langte nach seinem Bündel, paßte auf, daß er das Gefäß mit Jewel darin mied, und fand sein Wasser. Er nahm einen Schluck. Das Wasser schmeckte kühl und rann ihm wohltuend die Kehle hinab, bis er schlucken mußte. Dann meldete sich der Schmerz erschreckend scharf und wütend.
    Sie hatte etwas verletzt, aber er wußte nicht, was. Und er hatte keine Zeit, es herauszufinden. Er mußte weiter, unbedingt, obwohl er nicht mehr genau wußte, weshalb,

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