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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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nach dem Stöpsel und versuchte, ihn herauszuziehen.
    Adrian sah Nicholas an, als erwarte er, daß er eine Entscheidung traf. Aber Nicholas tat nichts dergleichen, denn er sah darin eine Gefahr, ohne zu wissen, welcher Art sie war, noch gegen wen sie sich richtete.
    Er zog dem Wesen das Fläschchen weg und hielt Adrian die Öffnung hin. »Zieh den Stöpsel heraus.«
    »Ich glaube nicht, daß das sehr klug wäre«, gab Adrian zu bedenken.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt etwas, von dem, was wir hier tun, klug ist«, erwiderte Nicholas. »Aber es ist unumgänglich.«
    Adrian kratzte an dem Wachssiegel. Währenddessen legte das Wesen seine Hände auf Nicholas’ Zeigefingergelenk. Es beugte sich nach vorne, um ja nicht zu verpassen, was Adrian da tat.
    Nachdem Adrian ein Eckchen des Wachssiegels entfernt hatte, löste sich der Rest in einem Stück. Nur für einen kurzen Moment sah er auf und blickte Nicholas fragend an. Aber dieser Augenblick genügte, Nicholas die Furcht in Adrians Augen erkennen zu lassen.
    Nicholas nickte.
    Adrian zog den Stöpsel heraus und hielt ihn hoch.
    Nichts geschah.
    Überhaupt nichts.
    Außer daß ein gräßlicher Gestank den Raum erfüllte.
    Nicholas’ Augen fingen an zu tränen. Er erkannte diesen Geruch wieder, aus der Zeit der Kämpfe gegen die Fey.
    Altes Blut, das zu verwesen anfing.
    »Puh«, sagte er angewidert.
    Das Wesen nahm die Hände von seinem Finger und machte Zeichen, Adrian solle ihm das Fläschchen bringen. Adrian hingegen wartete zuerst den Befehl von Nicholas ab, der ihm daraufhin zunickte.
    Adrian neigte das Fläschchen zu dem Wesen hin, das mit der rechten Hand signalisierte, er solle es noch weiter senken. Weiter und noch weiter, bis die Öffnung in Höhe des Gesichts war. Es schien sich nicht an dem Geruch zu stören.
    Es grinste, lehnte sich so weit wie möglich vor und tauchte beide Hände in die Öffnung der Flasche, badete bis an die Ellbogen in Blut.
    Eine helles Rot schoß durch die Glasfigur hindurch und durchzog sie wie ein Adernetz. Dann wurde die Röte zu einem feurigen Rot, das in die Kreatur hineinzufließen schien. Nicholas wollte sie loslassen, tat es aber doch nicht. Die Puppe wäre zersprungen, und er wußte nicht, was dann mit dem Wesen darin geschehen würde.
    Das Rot füllte alles aus und verdeckte die Sicht auf die Kreatur darin. Adrian lehnte sich gerade neugierig nach vorn, als die Glaspuppe zersprang.
    Überall stoben Glassplitter umher, trafen ihre Kleidung, Nicholas’ Hand und Adrians Gesicht, beinahe sogar seine Augen. Glas sauste durch die Luft und landete rings um sie her klirrend und knisternd auf dem Boden. Das Fläschchen kippte zwar, aber es fiel nicht um, denn irgendwie gelang es Adrian, es nicht loszulassen. Einzelne Bestandteile der Glaspuppe fielen in das Blut hinein, das zu kochen anfing.
    Eine rote Dunstwolke stieg von Nicholas’ Hand auf. Sie landete neben ihm und dehnte sich aus, bis sie in etwa seine Größe erreicht hatte. Dann fügte sich die Wolke nicht zu irgendeinem Wesen zusammen, sondern zu einem Menschen.
    Einem nackten Mann. Einem Mann mit leicht gerötetem Gesicht, so als habe er sich gerade sehr angestrengt. Mit seiner hellen Haut, den blauen Augen und dem weißblonden Haar war er ganz offensichtlich ein Inselbewohner. Diese Haarfarbe war zwar bei Erwachsenen eher selten, bei Kindern jedoch weit verbreitet.
    Er grinste Nicholas an und fing sofort zu reden an, doch Nicholas verstand kein einziges Wort.
    »Tut mir leid«, sagte Nicholas. »Sprichst du Inselsprache?«
    Der Mann plapperte erneut drauflos, und dieses Mal konnte man einige vertraute Worte heraushören. Der Mann sprach in der Alten Inselsprache.
    »Ich bedaure es sehr, aber ich verstehe dich nicht«, sagte Nicholas.
    Der Mann gab einen verächtlichen Laut von sich, dann ergriff er Nicholas’ Gesicht mit der linken Hand. Seine Hand war warm, seine Haut durchaus fest. Adrian versuchte zu spät, nach dem Handgelenk des Mannes zu fassen, denn dieser hatte seine Hand schon wieder zurückgezogen.
    »Verpfuscht«, sagte der Mann. So klang es zumindest.
    »Was?« brachte Nicholas verblüfft hervor.
    »Verpfuscht«, sagte der Mann noch einmal. »Ihr habt die Sprache ruiniert.«
    »Was ist denn eben überhaupt geschehen?« fragte Adrian verständnislos.
    »Du bist keiner von uns«, sagte der Mann und drehte Adrian den Rücken zu. »Aber du.« Dieser letzte Satz war an Nicholas gerichtet. Der Mann legte den Kopf in den Nacken und hob die Arme zur Decke.

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