Fey 10: Das Seelenglas
schloß sich ihnen an. Auch er schrie, das Schwert und das Messer noch immer in den ausgestreckten Händen. Er rannte los, Fey eilten an ihm vorbei, und er schlug im Laufen um sich, schaffte es, hier und dort einen von ihnen zu verwunden.
Ein Fey ging vor ihm zu Boden, Denl stolperte über ihn, landete auf der Seite im trockenen Gras. Erstaunlich, daß es an einem Ort so blutdurchtränkt und am anderen so herrlich trocken sein konnte. Er rollte sich zur Seite, aber es war zu spät. Fey rannten links und rechts an ihm vorbei, über ihn, auf ihn. Er duckte sich und schützte den Kopf mit den Armen, aber niemand versuchte ihn zu töten. Sie versuchten noch nicht einmal, ihn zu verletzen.
Doch der Druck ihrer Stiefel, das Gewicht derjenigen, die über ihn stiegen, schien ihn zu zermalmen. Er zog sich so gut es ging wieder hoch, wollte aufspringen, konnte jedoch sein linkes Bein nicht heranziehen. Sie rannten immer weiter über das Bein, sprangen darüber hinweg oder geradewegs darauf. Er hörte das Trommeln ihrer Stiefel ringsumher, dazu ihren eigenartig heulenden Siegesschrei, und dann wußte er, daß alles verloren war.
Er hörte die Knochen splittern, immer mehr Gewicht rannte über ihn hinweg. Der Schmerz schüttelte ihn, und einmal glaubte er sogar laut zu schreien.
Es wollte kein Ende nehmen. Er würde hier sterben. Sterben. Und niemand würde es bemerken.
Noch immer hielt er den Schwertgriff umfaßt – kampflos würde er sich nicht geschlagen geben. Er wollte es nicht, doch er zweifelte daran, daß er noch genügend Kraft hatte, das Schwert zu benutzen.
Jetzt entfernte sich das Geschrei, niemand trampelte mehr auf ihm herum. Er spürte, wie ihn ein kühler Wind umfing, eine Art Nebel, und er fragte sich, wie lange er schon auf diesem Feld lag. Der Nebel schien ihn anzuheben, Stimmen schienen beruhigend auf ihn einzureden, ihm von Marly und Matthias und irgendwelchen Abmachungen zu erzählen, aber er verstand nicht, was sie wollten.
Er versuchte es nicht einmal.
Alles war verloren.
Er war verloren.
Und er konnte nichts mehr dagegen tun.
31
Endlich war der Durchbruch gelungen. Licia gab das Signal, und die Fußsoldaten setzten sich, gefolgt von den Rotkappen, in Bewegung.
Die Schlacht um Constantia durfte sie für sich verbuchen.
Sie stand auf dem abgeflachten Stein und sah zu, wie der Rest ihrer Infanterie nach Constantia stürmte. Sie sahen aus wie kleine Kinder beim Wettlaufen, rannten ohne jede Ordnung, ohne die Präzision, für die ihre Truppen bekannt waren. Sobald sie die Ausläufer der Stadt erreicht hatten, schwärmten sie aus, und Licia mußte nicht dabeisein, um zu wissen, daß das Gemetzel dort unten weiterging.
Die Schlacht bis zu diesem Punkt zu verfolgen war niederschmetternd und viel schlimmer als erwartet gewesen. Ein Fey nach dem anderen war gefallen. Die Schwerter der Inselbewohner waren voll tödlichem Zauber; nie zuvor hatte sie eine solche Treffsicherheit und eine solche Schärfe der Klingen gesehen. Es kam ihr beinahe vor, als handelten die Schwerter aus eigenem Antrieb.
Trotzdem hatten die Fey ebensogut ausgeteilt wie eingesteckt. Auf dem Feld lagen, wenn sie sich nicht täuschte, Hunderte toter Einheimischer. Nur noch ein geschlagenes Häuflein Inselbewohner folgte ihren Soldaten zur Stadt. Mehr waren nicht mehr dazu in der Lage.
Die Fußsoldaten eilten hinab, als hätte sie das Zuschauen mit einer schrecklichen Blutgier infiziert. Die Rotkappen blieben bei den ersten Leichen stehen und nahmen ihre grauenhafte Arbeit auf. Auch damit würde Rugad sehr zufrieden sein: Er hatte ihr von den verlorenen Beuteln im Zentrum der Insel erzählt. Die neue Ausbeute würde den Verlust mühelos ersetzen.
Jetzt konnte sie ebenfalls hinuntergehen. Sie hatte lange genug auf der Anhöhe verharrt. Es würde wohl noch eine Zeitlang dauern, bis ihre Truppen die Stadt gesäubert hatten, doch dann gehörte sie ihnen.
Sie legte eine Hand an die Stirn und blickte zu den Bergen hinüber. Rugads Truppe hatte den Fluß überquert und machte sich daran, den Berghang zu ersteigen. Rugad hielt sich weiter hinten, offenbar besorgt darüber, daß er eine Armee gegen sein eigenes Blut ins Feld führte.
Auch Licia machte der Gedanke nervös.
Aber sie hatte ihre eigene Aufgabe zu erfüllen. Sie stieg von dem Felsen herunter und sah sich um. Die letzten Tierreiter brachen in Richtung der Berge auf. Obwohl sie die Stadt mit einer großen Streitmacht angegriffen hatte, zog Rugad mit einer noch
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