Fia die Betoerende
zu lachen, gerade so als ob rasiermesserscharfe Klingen ihr dabei das Herz zerschnitten. Gegen alle Vernunft und all sein hart erworbenes Wissen hätte er beinahe nach ihr gegriffen.
Dann jedoch wandte sie sich ab und ging fort, ohne darauf zu achten, dass sie unbegleitet und schutzlos war. Er folgte ihr in diskretem Abstand, bis sie die Straße erreichte, wo sie sich eine Droschke herbeiwinkte und hineinstieg.
8. KAPITEL
„Sie sehen mitgenommen aus“, stellte Gunna fest.
„Das bildest du dir nur ein“, erwiderte Fia, und ihre Nadel glitt flink durch den auf einen kleinen runden Stickrahmen gespannten Stoff. Sticken, so hatte sie von einem von Coras Kindermädchen gelernt, war eine sehr beruhigende Beschäftigung.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers saß Kay und las in einem seiner Lehrbücher. Seine unerwartete Ankunft gestern war ihr nicht sonderlich willkommen gewesen. Fia hatte ihre Pläne für den Abend geändert und sich' entschlossen, zu Hause zu bleiben, da sie nicht willens war, Kay allein in dem Stadthaus umherstreifen zu lassen. Dem Himmel sei Dank, dass Mrs. Littletons Unterrichtsanstalt für junge Damen, die Cora zur Zeit besuchte, es ihren Schülerinnen nicht erlaubte sich einfach davonzumachen, wie es bei Oxford-Studenten ganz offensichtlich gang und gäbe war.
„Und bilde ich es mir auch ein oder liegt es an meinem schwindenden Augenlicht, dass Sie rotgeränderte Augen haben und Ihre Stimme so rau ist wie der Schrei einer Rohrdommel?“ bemerkte Gunna, Fias Gedanken unterbrechend.
„Ehrlich, Gunna. Mir geht es gut.“
In Wahrheit hatte sie das Gefühl, sich immer weiter aufzureiben. Die endlosen Nächte des Verstellens forderten schließlich ihren Tribut. Zu oft war ihr morgens schon schwindelig, und sie begann jeden Tag zitternd vor Erschöpfung.
Ihr gestriger Zusammenstoß mit Thomas hatte die Dinge auch nicht verbessert. Seitdem war sie ständig gereizt und den Tränen nah - sie, Fia Merrick, die Königin der Selbstbeherrschung - , und ihre viel gerühmte Gefasstheit war so überbeansprucht, dass sie beinahe zerbarst. Sie wusste nicht, wie viel länger sie noch so weitermachen konnte. Aber es
würde nichts helfen, wenn sie dies Gunna gegenüber eingestand. Die alte Frau würde sich nur Sorgen machen, und schließlich und endlich würde sich durch ihre Sorgen nichts zum Guten ändern.
„Es ist nicht natürlich so ein Leben zu führen, die Nacht zum Tage zu machen“, schimpfte Gunna leise vor sich hin.
Fia sandte einen scharfen, warnenden Blick in Kays Richtung. Kay wusste noch nichts von ihrem Ruf, und Fia wollte, dass er in Unwissenheit darüber blieb, solange ihr das möglich war.
„Reiten und Tanzen und von einem Ball zum anderen ziehen . .
Fia schaute die alte Frau mit einer Mischung aus Zuneigung und Gereiztheit an. Ganz offensichtlich hatte Gunna beschlossen, ihre unausgesprochene Warnung zu ignorieren.
„Nun, jetzt ist es Tag und ich bin hier“, erklärte Fia mit aufgesetzter Fröhlichkeit, „wach und aufmerksam, sitze gemütlich in meinem eigenen Haus bei einer harmlosen Stickerei, und doch gelingt es mir, Missfallen zu erregen.“
„Sprechen Sie nicht in diesem Ton mit mir, Lady Fia MacFarlane“, antwortete Gunna. „Es ist Ihr Wohl, um das ich mir Sorgen mache und . .
„Ich schätze das, wie unangebracht es auch sein mag“, fiel sie der Alten ins Wort und warf einen weiteren warnenden Blick zu Kay.
„Können wir nicht von hier einfach fort gehen, nach Bramble House zurückkehren und dort weitermachen, wo wir aufgehört haben?“ fragte die grauhaarige Frau zum bestimmt hundertsten Mal seit ihrer Ankunft in London. Fia hatte Gunna nichts von ihrer Abmachung mit Carr erzählt.
Solange ihr Vater sie in London haben wollte, so lange würde sie hier bleiben. Wenn er ihr auftrug zu heiraten, würde sie heiraten, wen er ihr zu ehelichen befahl, dem hatte sie zugestimmt. Wenn sie das nicht tat, würde sie Bramble House verlieren und darüber wollte sie noch nicht einmal nachdenken. Natürlich wusste Carr das nicht. Er dachte, sie hätte sich aus Angst seinen Forderungen gebeugt - Angst vor ihm und Angst vor Armut.
„Nein. Das können wir nicht“, entgegnete sie und legte sich die Fingerspitzen an die Schläfen. Mit langsamen, kreisenden Bewegungen begann sie sie zu reiben. „Weißt du,
Gunna, ich fühle mich ein wenig müde. Vielleicht würde ein Stärkungsmittel helfen. Wärest du so nett, mir eine deiner Tinkturen anzurühren?“
Sie
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