Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fieber

Titel: Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
gesund?«
    Ungewollt zögerte Charles einen Augenblick. Die Frage war zu unerwartet gekommen. »Natürlich«, sagte er mit einem Lachen, das sein kurzes Schweigen vergessen machen sollte. »Ich glaube sogar, daß du diese Medizin hier gar nicht mehr brauchst.« Charles stand auf und zeigte auf den Schlauch für die Chemotherapie. »Warum nehmen wir ihn nicht einfach aus deinem Arm?«
    Michelles Gesicht verdüsterte sich sorgenvoll. Sie haßte jede Berührung an der Kanüle in ihrem Arm.
    »Es tut ganz bestimmt nicht weh«, sagte Charles.
    Mit einem kurzen Ruck zog er die Nadel aus Michelles Arm und drückte seinen Daumen auf den Einstichpunkt. »Den anderen Infusionsschlauch mußt du noch etwas im Arm behalten, damit dein kleines Uhrwerk nicht wieder schneller läuft.« Er klopfte ihr gegen die Brust.
    Plötzlich wurde das Licht angeschaltet, und mit einem Schlag war das Zimmer grell erleuchtet.
    Eine Schwester, der zwei Wachmänner folgten, kam herein.
    »Es tut mir leid, Mr. Martel, aber Sie müssen jetzt gehen.«
    Sie bemerkte den lose über dem Bett hängenden Infusionsschlauch und schüttelte verärgert den Kopf.
    Charles reagierte nicht auf ihre Aufforderung. Er setzte sich wieder auf die Bettkante und nahm Michelle in den Arm.
    Die Schwester machte den Wachmännern ein Zeichen, daß sie ihr helfen sollten. Sie gingen langsam zu Charles, und einer der beiden legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Wir können Sie auch festnehmen lassen, wenn Sie es nichtanders wollen«, sagte die Schwester. »Aber das möchte ich gerne vermeiden.«
    Widerstandslos ließ Charles es zu, daß die beiden Wachmänner seine Arme griffen und sie von Michelle lösten.
    Erstaunt sah Michelle erst auf die beiden Männer und dann wieder zu ihrem Vater. »Warum wollen sie dich festnehmen?«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte Charles lächelnd. »Wahrscheinlich, weil jetzt keine Besuchszeit ist.«
    Charles stand auf, beugte sich noch einmal zurück und gab Michelle einen Kuß. »Versuch ein tapferes Mädchen zu sein. Ich komme bald wieder.«
    Die Schwester schaltete die Deckenbeleuchtung wieder aus. Von der Tür winkte Charles noch einmal, Michelle winkte zurück.
    »Sie hätten ihr die Kanüle nicht aus dem Arm nehmen sollen«, sagte die Schwester auf dem Weg zur Stationszentrale. Charles antwortete nicht.
    »Wenn Sie Ihre Tochter künftig besuchen möchten«, fuhr die Schwester fort, »dann müssen Sie zu den regulären Besuchszeiten kommen und, bitte, in Begleitung.«
    »Ich möchte Michelles Krankenakte sehen«, sagte Charles freundlich, ohne auf die anderen Bemerkungen einzugehen. Die Schwester ging schweigend weiter. Offensichtlich gefiel ihr der Gedanke nicht besonders.
    »Es ist mein Recht«, sagte Charles knapp. »Außerdem bin ich selbst Arzt.«
    Zögernd willigte die Schwester ein. Charles folgte ihr in den Aktenraum der Station. Michelles Unterlagen standen unschuldig an ihrem Platz. Die Schwester zog den Ordner heraus und legte ihn vor Charles auf den Tisch. Am Nachmittag war ein Blutabstrich gemacht worden. Charles’ Herz setzte für einen Augenblick aus. Obwohl er nichts anderes erwartet hatte, traf es ihn wie ein Schock. Die Zahl der Leukämiezellen in Michelles Blut war nicht gesunken. Im Gegenteil, der Wert war noch leicht gestiegen. Es gab keinen Zweifel, die Chemotherapie hatte Michelle nicht im mindesten geholfen.
    Charles zog sich das Telefon heran und bat die Zentrale, auszurichten, daß Dr. Keitzman ihn im Aktenraum von Station 6 anrufen möchte. Während er wartete, sah er die übrigen Unterlagen in der Akte durch. Am erschreckendsten war Michelles Fieberkurve. Bis zu diesem Nachmittag hatte das Fieber immer um die achtunddreißig Grad gelegen, jetzt war es auf vierzig Grad gestiegen. Dann las Charles den kardiologischen Bericht. Als wahrscheinliche Ursache der Herzrhythmusstörung wurde die schnelle Infusion der zweiten Dosis Daunorubicin angenommen oder eine Infiltration des Herzmuskels durch Michelles Leukämiezellen; möglich war aber auch eine Kombination von beidem. In diesem Moment klingelte das Telefon. Es war Dr. Keitzman. Beide, Dr. Keitzman und Charles, bemühten sich, freundlich zu sein.
    »Als Arzt werden Sie mir zustimmen«, sagte Dr. Keitzman, »daß wir uns oft vor die Entscheidung gestellt sehen, entweder an den bewährten Prinzipien der Medizin festzuhalten oder aber den Wünschen von Patienten und ihrer Angehörigen nachzugeben. Ich persönlich halte ersteres für das einzig Richtige. Und

Weitere Kostenlose Bücher