Fieber
das fünfte Mal gewählt hatte, meldete sich der Anwalt persönlich. Charles gefiel das. Auf seine Frage antwortete ihm der Anwalt, daß er kurz vorm Verhungern sei. Charles sagte, daß er sofort kommen würde. Dann schrieb er sich die genaue Adresse auf: Wayne Thomas, 13 Brattle Street, Cambridge.
In der Straße gab es keinen Brunnen, keinen Marmor und auch kein Rauchglas. Die Nummer 13 gehörte zu einem Hinterhaus, das nur durch eine enge Gasse zu erreichen war. Hinter einer Eisentür führte eine ausgetretene Holztreppe zu zwei Türen. Die eine gehörte einem Wahrsager und Handleser, die andere Wayne Thomas, Rechtsanwalt. Charles klopfte und trat ein.
»Setzen Sie sich und erzählen Sie mir einfach, worum es geht«, sagte Wayne Thomas und schob Charles einen Stuhlhin. Während Wayne sich einen gelben Notizblock und einen Stift zurechtlegte, sah Charles sich in dem Zimmer um. Es war schmucklos bis auf ein einziges Bild, das Abraham Lincoln zeigte. Aber die Wände waren in frischem Weiß gestrichen. Durch ein kleines Fenster konnte Charles einen schmalen Ausschnitt des Harvard Square sehen. Der Raum hatte einen Holzfußboden, der offensichtlich erst vor kurzem abgeschliffen und lackiert worden war. Alles strahlte eine sachliche und nüchterne Atmosphäre aus.
»Ich habe das Büro zusammen mit meiner Frau selbst hergerichtet«, sagte der Anwalt, als er merkte, daß Charles sich erst einmal umsah. »Wie finden Sie es?«
»Es gefällt mir«, antwortete Charles. Wayne Thomas sah nicht gerade aus, als ob er am Verhungern wäre. Er war über einsneunzig groß, muskulös und trug einen Bart. Sein Alter schätzte Charles auf Anfang Dreißig. Er trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug mit passender Weste, der seine energische Ausstrahlung noch unterstrich.
Charles reichte ihm die Vorladung und erzählte seine Geschichte. Wayne Thomas hörte aufmerksam zu und machte sich kurze Notizen, aber er unterbrach Charles nicht wie der junge Anwalt von Begelman, Canneletto und O’Malley. Als Charles geendet hatte, stellte Thomas zu einigen Punkten noch ein paar Fragen. Dann sah er Charles eine Zeitlang nachdenklich an. »Bis zu der Anhörung werden wir gegen den vorläufigen Entzug der Vormundschaft nicht viel machen können«, sagte er schließlich. »Die Ernennung eines Vormundes ad litim hat dem Richter die endgültige Entscheidung noch offengehalten. Aber ich hätte die Zeit ohnehin gebraucht, um mich in den Fall einzuarbeiten. Doch was die Recycle Ltd. angeht und die Stadtverwaltung von Shaftesbury, da kann ich sofort etwas unternehmen. Wir müssen uns nur noch über das Honorar einig werden.«
»In wenigen Tagen steht mir ein 3000-Dollar-Kredit von meiner Bank zur Verfügung«, sagte Charles.
Wayne stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »An eine derartige Summe habe ich gar nicht gedacht. Wären Sie mit fünfhundert Dollar Vorauszahlung einverstanden?«
Charles erklärte, daß er das Geld sofort vorbeibringenwürde, wenn ihm der Kredit ausgezahlt worden war. Als er dem Anwalt zum Abschied die Hand schüttelte, sah er zum ersten Mal, daß Wayne Thomas einen schmalen Goldring im rechten Ohr trug.
Auf der Rückfahrt zum Weinburger-Institut fühlte Charles sich schon wieder etwas zufriedener. Zumindest hatte er die notwendigen juristischen Schritte eingeleitet, und selbst wenn Wayne Thomas nicht in allem Erfolg haben sollte, dann würde er Charles’ Widersachern doch wenigstens einigen Ärger bereiten. Ungeduldig wartete Charles vor der verspiegelten Eingangstür zum Institut. Miß Andrews, die ihn natürlich längst gesehen hatte, vermittelte erst noch ein Gespräch, bevor sie den Türöffner drückte. Als Charles an ihr vorbeiging, griff sie wieder zum Telefon. Das war kein besonders vielversprechendes Zeichen.
Das Labor war leer. Charles rief nach Ellen, aber er erhielt keine Antwort. Er suchte sie auch noch in dem kleinen Nebenraum, doch bei den Versuchstieren war sie auch nicht. Als er auf die Uhr über der Eingangstür sah, wußte er auch den Grund dafür. Er war länger unterwegs gewesen, als er selbst vermutet hatte. Ellen mußte zum Essen gegangen sein. Er ging zu ihrem Arbeitsplatz und entdeckte, daß die Lösung mit Michelles Leukämieantigen unberührt an ihrem Platz stand.
Charles ging an seinen Schreibtisch, rief die USB an und ließ sich mit Mrs. Amendola verbinden, um zu erfahren, ob sie irgend etwas erreicht hatte. Mit kaum zurückgehaltener Ungeduld in der Stimme erklärte sie Charles, daß sein Fall
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