Fieber
Räume gründlich zu durchsuchen.
»Martel«, sagte die Oberschwester, nachdem die anderen gegangen waren. »Bei dem Namen fällt mir etwas ein. Wie heißt das Kind, das für eine dringende Aufnahme zum Röntgen gebracht worden ist?«
Cathryn sah verwirrt auf die beiden Frauen. Im ersten Moment glaubte sie, die Frage sei an sie gerichtet.
»Das wird es sein«, sagte die Schwester. Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer der Röntgenabteilung. Sie mußte es fast zwanzigmal klingeln lassen, bis sich schließlich eine Frauenstimme meldete.
»Bei Ihnen ist eine Patientin von Anderson 6«, sagte die Schwester. »Sagen Sie mir bitte, wie das Kind heißt?«
»Bei mir ist niemand«, antwortete die Frau. »Aber wenn es eine eilige Aufnahme war, dann hat George sie vielleicht gemacht. Er ist im Moment im Röntgenraum, aber er muß gleich wieder hier sein. Ich werde ihm sagen, daß er Sie anrufen soll.« Noch bevor die Schwester antworten konnte, hatte die Frau aufgelegt.
Ohne auch nur durch ein winzigstes Zögern zu verraten, daß er nicht hierher gehörte, rollte Charles die Bahre mit Michelle in die Notaufnahme und weiter in den langgestreckten Untersuchungsraum. Vor einer leeren Nische hielt er an und zog den Plastikvorhang zur Seite. Dann lenkte er die Bahre neben den Untersuchungstisch, schloß wieder den Vorhang und holte Michelles Kleider unter der Decke hervor.
Die Aufregungen ihres kleinen Abenteuers hatten Michelle wieder hellwach werden lassen. Als ihr Vater sie anzuziehen begann, versuchte sie ihm trotz ihrer Schwäche zu helfen. Charles kam sich mit Michelles Kleidern in den Händen ungeschickt vor. Und je mehr er sich beeilte, um so ungeschickter wurde er. Am Ende mußte sich Michelle das Kleid alleine zuknöpfen und auch ihre Schuhe selbst zubinden.
Nachdem Michelle angezogen war, ließ Charles sie für einen Augenblick allein, um nach Verbandsmaterial zu suchen. Er hatte Glück und mußte nicht weit gehen. Als er wieder bei ihr war, setzte er Michelle aufrecht auf den Untersuchungstisch und sah sie nachdenklich an.
»Es muß so aussehen, als ob du einen Unfall gehabt hast«, sagte er. »Ich weiß, was wir machen.«
Er riß eine Verbandspackung auf und wickelte ihr die Binde so um den Kopf, daß es aussah, als hätte sie eine Platzwunde. Dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk mit kritischen Augen. »Ausgezeichnet!« Um die Täuschung perfektzumachen, klebte er ihr noch ein Pflaster über die Nase. Michelle mußte lachen. Charles sagte ihr, daß sie jetzt aussähe wie ein Motorradfahrer, der von seiner Maschine gefallen war.
Er hob Michelle hoch und trug sie schwankend aus der Behandlungskabine, als ob sie auf einmal zwei Zentner wiegen würde. Doch auf dem Flur wurde er schnell wieder ernst. Erleichtert bemerkte Charles, daß es in der Notaufnahme inzwischen sogar noch geschäftiger zuging als bei seiner Ankunft. Weinende Kinder mit allen nur denkbaren Schnittwunden und Quetschungen warteten darauf, behandelt zu werden. Und vor der Anmeldung hatte sich eine Schlange von Müttern gebildet, die ihre hustenden Kinder an der Hand hielten. In dem Durcheinander blieb Charles völlig unbemerkt. Nur eineSchwester wandte sich ihm zu, als er mit Michelle auf den Armen an ihr vorbeiging. Charles spürte ihren Blick, lächelte ihr zu und sagte freundlich »Danke schön«. Die Schwester winkte unsicher. Sie dachte wohl, daß sie ihn eigentlich wiedererkennen müßte, aber sie tat es nicht.
Als Charles sich schon dem Ausgang näherte, sah er plötzlich einen uniformierten Wachmann von seinem Stuhl aufspringen. Charles fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust, und sein Herz begann wie wild zu schlagen. Aber der Mann sah ihn nur kurz an, dann lief er zum Ausgang und hielt die Tür auf. »Hoffentlich geht es Ihrer Kleinen bald besser. Kommen Sie gut nach Hause.«
Mit den letzten Schritten aus dem Krankenhaus spürte Charles, wie sich ein angenehmes Gefühl der wiedergewonnenen Freiheit in seinem Körper ausbreitete. Eilig trug er Michelle zum Parkhaus und setzte sie in das Führerhaus des Transporters. Dann zahlte er die Parkgebühr und fuhr davon.
13. Kapitel
Cathryn gab sich alle Mühe, geduldig und verständnisvoll zu sein. Aber je weiter die Zeit voranschritt, um so nervöser wurde sie. Sie machte sich Vorwürfe, daß sie Michelle alleingelassen hatte, um den Anruf zu beantworten. Sie hätte sich das Gespräch direkt auf Michelles Zimmer legen lassen sollen.
Während sie
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