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Fieber

Titel: Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Plötzlich rollte seine Oberlippe zu einem spöttischen Grinsen nach oben, was gleichzeitig seine überkronten Zähne sichtbar werden ließ und seine Nasenlöcher übertrieben dehnte. Aber sein Auftreten war sehr selbstsicher, in seiner Stimme schwang Autorität mit, so daß Cathryn sehr schnell Vertrauen zu ihm faßte.
    Da sie fürchtete, wieder zu vergessen, was ihnen erzählt wurde, hatte sie sich einen kleinen Notizblock und einen Filzschreiber geben lassen. Daß Charles nicht einmal zuzuhören schien, verunsicherte sie. Angestrengt starrte er aus dem Fenster, als ob er den Verkehrsstrom auf der Longwood Avenue beobachten wollte. Der Nordostwind hatte arktische Luft nach Boston gebracht, und der wechselhafte Schneeregen hatte sich in ein dichtes Schneetreiben verwandelt. Cathryn war erleichtert, daß sie Charles an ihrer Seite hatte, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Sie fühlte sich nicht in der Lage dazu. Dennoch blieb sein Verhalten sonderbar: In der einen Minute war er heftig und voller Zorn, in der nächsten stumm und zurückgezogen.
    »Mit anderen Worten«, faßte Dr. Keitzman zusammen, »die Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie steht außer Zweifel.«
    Charles warf den Kopf herum und ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Er wußte, daß er seine Gefühle kaum in der Gewalt hatte, und das machte es für ihn so schwer, sich auf Dr. Keitzmans Worte zu konzentrieren. Verärgert dachte er daran, daß er den ganzen Morgen über Leuten zugeschaut hatte, die seine Sicherheit untergraben wollten, die sein Leben erschütterten, seine Familie zerstörten und die ihm sein neugefundenes Glück rauben wollten. Natürlich sagte ihm seine Vernunft, daß es einen riesigen Unterschied gab zwischen Morrison und Ibanez auf der einen Seite und Wiley und Keitzman auf der anderen. Doch im Moment lösten sie alle in ihm dieselbe blinde Wut aus. Nur mit Mühe konnte Charles glauben, daß Michelle wirklich Leukämie hatte, und auch noch die schlimmste von allen, die mit größter Wahrscheinlichkeit zum Tod führte. Er hatte das alles schon einmal mitgemacht, doch jetzt war jemand anderer an der Reihe.
    Während er ihm halbherzig zuhörte, musterte Charles Dr.Stephen Keitzman, der das gönnerhafte Verhalten des verantwortlichen Arztes angenommen hatte und Häppchen für Häppchen sein Wissen ausbreitete, als würde er einen Vortrag halten. Anscheinend hatte Keitzman diese Situation schon öfter erlebt, denn seine Standardsätze wie »Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen« klangen abgenutzt und unehrlich. Charles hatte das unbehagliche Gefühl, daß Keitzman seine Rolle genoß. Nicht, wie er einen Film oder ein gutes Essen genossen hätte, sondern auf eine subtilere, selbstzufriedenere Weise: Er stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit inmitten einer Krise. Diese Haltung rieb noch zusätzlich an seinen ohnehin schon dünnen Nerven, besonders weil Charles sich mehr als nur gut in dem Gebiet auskannte, über das Dr. Keitzman sich gerade ausließ. Charles zwang sich still zu bleiben, während seine Gedanken wie ein Kaleidoskop Bilder aus Michelles Kindertagen aneinanderreihten.
    »Die unvermeidliche Frage nach einer Schuld möchte ich gleich vorab erledigen«, fuhr Dr. Keitzman fort. Seine obere Zahnreihe wurde für einen Moment bei einer nervösen Grimasse entblößt. »Ich möchte nachdrücklich betonen, daß Ursache und genauer Zeitpunkt des Ausbruchs einer Leukämie, wie Michelle sie hat, unbekannt sind. Die Eltern sollten die Schuld dafür nicht bei irgendeinem besonderen Ereignis suchen. Unser Ziel wird es sein, den gegenwärtigen Zustand der Kranken zu behandeln, um eine Remission, ein Nachlassen der Krankheit zu erreichen. Und ich darf Ihnen sagen, daß wir bereits ausgesprochen günstige Ergebnisse bei einer akuten Myeloblastenleukämie erzielt haben; etwas, was wir vor einigen Jahren noch nicht sagen konnten. Heute erreichen wir eine Remission bei ungefähr achtzig Prozent der Fälle.«
    »Das ist großartig«, sagte Charles. Er sprach zum ersten Mal. »Aber einmal abgesehen von den fünfjährigen Heilerfolgen, die Sie bei anderen Formen der Leukämie erreicht haben, können Sie uns auch sagen, wie lange die Remission bei Michelles Art der Erkrankung anhält?« Es war, als ob ein Zwang Charles dazu trieb, Dr. Keitzman sofort zum Eingeständnis des Schlimmsten zu reizen.
    Dr. Keitzman rückte seine Brille zurecht und räusperte sich.
    »Dr. Martel, ich bin mir bewußt, daß Sie mehr über dieKrankheit

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