Fieber
runde Gesicht von Dr. Wiley. So unterschiedlich sie auch aussahen, so ähnlich waren sie in ihrer energischen Stärke. »Ich verstehe nicht, was Sie mir sagen wollen.«
»Wir möchten nur, daß Sie uns etwas über den Gemütszustand Ihres Mannes sagen. Wir wüßten gerne, womit wir zu rechnen haben«, sagte Dr. Keitzman.
»Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, versicherte Cathryn. »Es fiel ihm schwer, sich mit dem Tod seiner ersten Frau abzufinden, aber er hat nie versucht, in ihre Behandlung einzugreifen.«
»Verliert er oft seine Fassung so wie heute?« fragte Dr. Keitzman.
»Es war ein schrecklicher Schock für ihn«, antwortete Cathryn. »Ich glaube, das ist verständlich. Außerdem hat er sich seit dem Tod seiner Frau ganz der Krebsforschung gewidmet.«
»Das ist eine grausame Ironie des Schicksals«, sagte Dr. Wiley.
»Aber was ist mit dem unkontrollierten Gefühlsausbruch, den er heute hatte?« fragte Dr. Keitzman.
»Er hat ein hitziges Temperament«, antwortete Cathryn. »Aber normalerweise weiß er sich auch zu beherrschen.«
»Nun, das hört sich ermutigend an«, sagte Dr. Keitzman. »Vielleicht wird alles doch nicht so schwierig. Vielen Dank jedenfalls, Mrs. Martel. Sie waren sehr verständnisvoll, besonders nachdem Sie, wie wir wissen, selbst sehr unter den Ereignissen gelitten haben. Wenn wir irgend etwas Unangenehmes sagen mußten, tut mir das sehr leid, aber es geschieht alles zum Besten von Michelle, das kann ich Ihnen ausdrücklich versichern.« Dann wandte er sich an Dr. Wiley. »Ich will jetzt sehen, daß wir heute noch ein Stück vorankommen. Wir können ja später noch miteinander sprechen.« Mit eiligen Schritten, fast lief er, ging er den Gang hinunter und war in wenigen Sekunden verschwunden.
»Er ist ein sonderbarer Mensch«, sagte Dr. Wiley. »Aber Sie hätten keinen besseren Onkologen finden können. Er ist eine der führenden Kapazitäten auf der ganzen Welt in der Kinderleukämie.«
»Als Charles so aufbrauste, habe ich schon befürchtet, daß er uns allein lassen würde«, sagte Cathryn.
»Dafür ist er viel zu sehr Arzt«, antwortete Dr. Wiley. »Das einzige, was ihm Sorgen bereitet, ist Charles’ Beurteilung der Chemotherapie. Und um überhaupt eine Chance für eine Remission bei Michelle zu haben, muß sofort mit einer aggressiven Behandlung begonnen werden.«
»Ich bin sicher, daß Charles sich nicht in ihre Behandlung einmischen wird«, sagte Cathryn.
»Das können wir nur hoffen«, sagte Dr. Wiley. »Und dabei werden wir auch auf Sie zählen, Cathryn.«
»Auf mich?« fragte Cathryn entgeistert. »Krankenhäuser und alles, was damit verbunden ist, sind nicht gerade meine stärkste Seite.«
»Ich fürchte, damit werden Sie fertig werden müssen«, sagte Dr. Wiley. »Michelles Behandlung kann sehr, sehr schwierig werden und auch sehr lange andauern.«
Im selben Moment sah Cathryn, wie Charles aus Michelles Zimmer trat. Er entdeckte sie und kam den Flur herunter zur Schwesternstation. Cathryn lief ihm entgegen. Einen Augenblick hielten sie sich in einer schweigenden Umarmung, um sich gegenseitig Kraft zu geben. Als sie zurück zu Dr. Wiley gingen, schien Charles schon ruhiger geworden zu sein.
»Sie ist ein gutes Kind«, sagte er. »Ihre einzige Sorge war, daß sie über Nacht bleiben muß. Sie wollte nach Hause, um morgen früh den Orangensaft machen zu können. Kannst du dir das vorstellen?«
»Sie fühlt sich dafür verantwortlich«, sagte Cathryn. »Bis ich gekommen bin, war sie die Frau im Haus. Sie hat Angst, dich zu verlieren, Charles.«
»Es ist erstaunlich, was man alles nicht weiß über seine eigenen Kinder«, sagte Charles. »Ich habe sie gefragt, ob es ihr was ausmacht, wenn ich ins Labor zurückgehe. Sie hat nichts dagegen, solange du hierbleibst, Cathryn.«
Cathryn war gerührt. »Auf dem Weg zum Krankenhaus hatten wir ein kleines Gespräch. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, daß sie mich wirklich akzeptiert.«
»Sie ist glücklich, daß sie dich hat«, sagte Charles mit leiser Stimme. »Und ich bin es auch. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich dich hier allein lasse. Ich fühle mich so schrecklich machtlos. Ich muß einfach etwas tun.«
»Das verstehe ich«, sagte Cathryn. »Ich glaube, du hast recht. Im Moment kannst du wirklich nichts tun, und dann ist es besser, wenn du dich mit etwas ablenken kannst. Ich bleibe gerne hier. Überhaupt, ich werde meine Mutter anrufen. Sie kann zu uns kommen und sich ein
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