Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
sie
einen Wagen, fuhren das kurze Stück nach Monte Carlo und blieben nur so lange
in ihrer Hotelsuite, um zu duschen. Als Michael sich dazu auszog, sah Leana die
dunklen Flecke auf seinem Rücken, seinem Bauch und seinen Schultern.
Erschrocken fragte sie ihn, was passiert war.
„Man
hat mich überfallen,” sagte er nur.
„Überfallen?
Wann?”
Er
legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Es geschah gestern früh. Drei Typen
stürzten sich auf mich in der Avenue B.” Er zuckte mit den Schultern. „Sie
haben nicht viel Geld gekriegt, und ich bin noch am Leben. Das ist alles, was
zählt.”
„Was
hast du in der Avenue B gemacht?”
„Forschung
für ein Buch.”
„Du
steckst das ganz schön ruhig weg.”
„Vergiss
nicht, dass ich Schauspieler bin.”
Sie
legte ihre Arme leicht um ihn.
„Bist
du zur Polizei gegangen?”
„Was
hätte das wohl genützt?”
Er
hatte natürlich Recht. Leana erinnerte sich an ihre eigene Erfahrung, als der
Mann in Washington Square sie belästigt hatte. Sie war mit Michael einer
Meinung. Die Polizei konnte in solchen Situationen wenig ausrichten. In der
Stadt gab es einfach zu viele Menschen und zu wenige Polizisten, die etwas
bewirken konnten. „Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?”
„Ich
wollte dich nicht beunruhigen.”
„Das
hättest du aber tun sollen,” sagte sie. „Ist alles in Ordnung?”
„In
ein paar Stunden werden wir miteinander verheiratet sein,” sagte er. „Ich habe
mich nie besser gefühlt.”
„Ich
hoffe, du schauspielerst jetzt nicht,” sagte sie.
Sie
kauften die Eheringe bei Cartier – zwei einfache Platinringe. In einem
Herrenbekleidungsgeschäft fand Michael einen dunkelgrauen Anzug und schwarze
Halbschuhe. Und in einer kleinen Boutique kaufte Leana ein einfaches, doch
elegantes, weißes Kleid aus Seide. Obgleich es nicht das Hochzeitskleid ihrer
Kinderträume war, akzeptierte sie das, da sie jetzt wusste, dass Träume kaum
jemals Wirklichkeit werden. Und warum auch? Zu viele Dinge in ihrem Leben sind
anders gekommen als gehofft. Sie war glücklich, einen Mann gefunden zu haben,
der sein Leben mit ihr verbringen wollte.
Als
sie alles hatten, was sie brauchten, gingen sie zu dem überfüllten Hafen,
mieteten eine Jacht und wurden von dem Kapitän in internationalen Gewässern
getraut. Nun, da dunkle Wolken aus dem Westen aufzogen und die untergehende
Sonne verdeckten, verließ Leana den Balkon und trat in das Schlafzimmer. Ihr
Haar bewegte sich in dem aufsteigenden Wind.
Sie
schloss die Balkontür. Michael schlief noch immer. Trotz des abnehmenden Lichts
konnte sie die Prellungen auf seinem Rücken erkennen und dachte bei sich, wie
schmerzhaft sie doch aussahen. Sie fragte sich, wie er sich überhaupt bewegen
konnte, vom Schlafen einmal ganz abgesehen. Aber als sie so dastand und ihn
betrachtete, merkte sie, wie müde sie selber war. Zum ersten Mal seit ihrer
Ankunft war ihr, als ob sie wirklich schlafen könnte.
Sie
sah auf die Uhr und entschied, sich eine halbe Stunde lang hinzulegen, bevor
sie die Rezeption anrufen und Reservierungen für das Abendessen machen würde.
Sie zog ihre schwarze Seidenrobe aus, stieg ins Bett und schmiegte sich neben
Michael. Sein Körper war warm und atmete schwer. Sie schloss die Augen und
begann zu schweben.
* * *
Stunden
später pochte der Regen gegen die Scheiben. Das Geräusch weckte sie auf.
Leana
streckte sich im Dunkeln und blickte auf die digitale Uhr auf dem Nachttisch.
Drei Stunden waren vergangen. Die schloss die Augen mit eine Stöhnen. „Ich kann
nicht glauben, dass ich so lange geschlafen habe,” sagte sie laut.
Sie
drehte sich um, um Michael zu wecken, aber seine Seite des Betts war leer. Sie
setzte sich auf, schaute sich in dem dunklen Zimmer um und sah einen Streifen
Lichts unter der geschlossenen Badezimmertür. Sie hörte Wasser laufen. Er war
unter der Dusche. Sie war versucht, sich wieder unter die warmen Laken zu legen
und weiterzuschlafen, doch hatten sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen, und
sie hatte Hunger.
Sie
machte das Licht neben sich an und schaute durch die Fenster. Regen peitschte
gegen die Scheiben. In diesem Wetter konnten sie nicht ausgehen. Obwohl das
Hotel über ein Restaurant verfügte, das sie sehr mochte, war sie nicht in der
Stimmung, sich fertig zu machen oder ihre Suite zu verlassen. Zimmerservice also, dachte sie und griff
nach dem Telefon.
Als
sie den Hörer an ihr Ohr legte, vernahm sie kein Freizeichen, aber
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