Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
schwangen nach außen auf, ganz von selbst!
»Okay, ich komme runter.«
Der Abstieg fiel ihm nicht leichter als der Aufstieg; seine Finger waren inzwischen vollkommen taub geworden. Er nahm Poppys steife Hand in seine. Das war wirklich ihre letzte Chance.
»Sollen wir?«, fragte er. Es klang wesentlich zaghafter als beabsichtigt.
Kapitel 22
S ie bahnten sich einen Weg durch den Schutt und versuchten dabei aus Höflichkeit, auf so wenige Seiten wie möglich zu treten. Quentin hätte sich beinahe den Knöchel verstaucht, als ein Stein unter seinem Fuß wegrollte.
Das blaue Licht der Runen schien den Mann zu tragen. Seine nackten Füße hingen einen Meter über dem Boden. Er hatte sandfarbenes Haar und ein dickliches, rundes Gesicht – fast hätte man meinen können, sein runder Kopf halte ihn wie ein Ballon in der Schwebe. Wie eine Wolke umgaben ihn Bücher, die ebenfalls in der Luft schwebten, dazu einige lose Blätter, alle mit der Schriftseite ihm zugewandt, wahrscheinlich, damit er sie simultan lesen konnte. Die Seiten zweier Bücher blätterten sich langsam um.
Weder grüßte sie der Mann, noch sah er sie an, als sie auf ihn zukamen. Die langen Ärmel seines Gewandes fielen ihm bis über die Hände, aber sie hingen irgendwie seltsam herunter. Als sich Quentin näherte, wusste er, warum: Der Mann hatte keine Hände. Es war Penny.
Ohne den Irokesenschnitt und mit vollständig nachgewachsenen Haaren hatte Quentin ihn zunächst nicht erkannt. Er hatte nicht gewusst, welche natürliche Farbe Pennys Haare hatten, außer, dass sie wahrscheinlich nicht metallicgrün waren. Penny rotierte auf der Stelle, um sie anzusehen, und blickte aus der Luft auf sie herunter. Er war wesentlich dünner als früher. Seine Wangenknochen hatte man früher nie gesehen.
Quentin stand am Rand der unheimlichen, in den Boden gefrästen blauen Lettern. Die Kälte war ihm bis ins Mark gekrochen. Seine Schultern zitterten unkontrolliert.
»Penny«, sagte er matt. »Du bist das.«
Penny sah ihn reglos an.
»Das ist meine Freundin Poppy«, fuhr Quentin fort. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Penny. Ich bin froh, dass es dir gutgeht.«
»Hallo, Quentin.«
»Was ist mit dir geschehen? Was ist hier geschehen?«
»Ich habe mich dem Orden angeschlossen.«
Er sprach sanft und leise. Penny schien die Kälte nicht das Geringste auszumachen.
»Was ist das, Penny? Der Orden?«
»Wir kümmern uns um die Nirgendlande. Die Nirgendlande sind kein natürliches Phänomen, sondern wurden künstlich erschaffen. Ein Artefakt, vor langer Zeit konstruiert von Zauberern, deren Verständnis von Magie weit, weit über deines hinausreicht.«
Nicht meines – ich muss doch sehr bitten. Nur deines. Guter alter Penny. Dass er seine Hände verloren hatte, war eine Katastrophe, über die Quentin niemals richtig hinwegkommen würde, doch wenn irgendjemand dazu geboren war, ein schwebender Mönch ohne Hände zu werden, dann Penny. Doch sie würden erfrieren, bevor er mit seiner dramatischen Darbietung fertig war.
»Seitdem haben Frauen und Männer wie ich darüber gewacht. Wir reparieren und verteidigen sie.«
»Entschuldige, Penny, aber uns ist fürchterlich kalt«, unterbrach ihn Quentin. »Kannst du uns helfen?«
»Natürlich.«
Als Penny seine Hände verlor, dachte Quentin, er würde niemals wieder zaubern können. Penny zu unterschätzen war offenbar ein Fehler, den er immer wieder machen würde. Während er vor ihnen in der Luft hing, legte Penny seine Armstümpfe aneinander und begann, rhythmisch etwas in einer unbekannten Sprache zu rezitieren. Unter seiner Robe unternahm er irgendeine körperliche Anstrengung, die Quentin verborgen blieb.
Urplötzlich erwärmte sich die eiskalte Luft in ihrer Umgebung. Quentin zitterte noch unkontrollierter als zuvor, während er sich aufwärmte. Es war eine ungeheure Erleichterung. Unwillkürlich beugte er sich vornüber, und sein Mund füllte sich mit Speichel. Er dachte, er müsse sich übergeben, und das erschien ihm so unglaublich komisch, dass er lachen musste. Neben ihm hörte er Poppy stöhnen, als sich ihr Körper langsam erholte.
Quentin übergab sich nicht. Aber es dauerte einen Augenblick, bis er und Poppy wieder sprechen konnten.
»Was ist hier passiert?«, fragte Poppy schließlich. »Wer hat diesen Ort zerstört?«
»Er ist nicht zerstört worden«, erwiderte Penny mit einem Unterton seiner alten Empfindlichkeit. »Aber er wurde schwer beschädigt. Vielleicht irreparabel. Und uns steht
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