Fillory - Die Zauberer
beobachten, wie sie ihren logischen Syllogismus ausführten. Er blieb, bis der Schein der sinkenden Sonne durch die enorme Rückwand des Ziffernblattes fiel.
Manchmal fing er aus heiterem Himmel an zu lachen, ohne ersichtlichen Grund. Er experimentierte behutsam mit der Idee, glücklich zu sein, als stecke er einen unsicheren Zeh in diese giftigen Kohlensäuregewässer. Er hatte ja nicht besonders viel Erfahrung damit. Es war einfach irre komisch! Er würde zaubern lernen! Entweder war er das größte Genie aller Zeiten oder der größte Idiot. Aber auf jeden Fall war er ungeheuer neugierig auf das, was als Nächstes mit ihm geschehen würde. Zum ersten Mal seit langer Zeit interessierte er sich brennend für das, was um ihn herum vor sich ging. In Brooklyn war die Realität leer und bedeutungslos gewesen – egal, aus welchem minderwertigen Material diese Wirklichkeit bestand, die Bedeutung hatte sich geweigert, daran haften zu bleiben. In Brakebills war es anders. Hier spielte es eine Rolle, was geschah. Hier war alles voller Bedeutung – war es das, worum es in der Zauberei ging? Dieser Ort war regelrecht bedeutungsgeladen. Draußen war er kurz vor einer schweren Depression gewesen, ja, schlimmer noch, er war in Gefahr zu lernen, wie man sich selbst von Grund auf verabscheut. Beinahe hätte seine Seele einen irreversiblen Schaden genommen. Jetzt dagegen fühlte er sich wie Pinocchio, die Holzpuppe, die in einen richtigen Jungen verwandelt worden war. Oder war es genau andersherum, und er war von einem richtigen Jungen in etwas anderes verwandelt worden? Egal – jedenfalls war es eine Veränderung zum Besseren. Das hier war zwar nicht Fillory, aber es war trotzdem ganz okay.
Er verbrachte seine Zeit jedoch nicht ausschließlich allein. Ab und zu entdeckte er von weitem Eliot, der über den verlassenen Rasen schlenderte oder sich, die langen Beine im Schneidersitz verschränkt, auf einer Fensterbank räkelte oder geistesabwesend durch ein Buch blätterte. Er strahlte eine überwältigende melancholische Perfektion aus, als sei sein eigentliches Zuhause anderswo, an einem unendlich viel schöneren Ort als Brakebills, und als sei er durch ein groteskes göttliches Versehen hierhergeraten, das er mit so viel guter Laune, wie von ihm erwartet werden konnte, ertrug.
Eines Tages spazierte Quentin am Rande des großen Rasens entlang, als er Eliot begegnete, der an einer Eiche lehnte, eine Zigarette rauchte und ein Taschenbuch las. Es war mehr oder weniger dieselbe Stelle, an der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Aufgrund der eigentümlichen Stellung von Eliots Kiefer ragte die Zigarette schräg aus seinem Mund.
»Möchtest du eine?«, fragte Eliot höflich. Er hörte auf zu lesen und hielt Quentin eine blau-weiße Packung Merit Ultra-Lights hin. Seit Quentins erstem Tag in Brakebills hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt.
»Schmuggelware«, erklärte er, scheinbar nicht enttäuscht, dass Quentin keine nahm. »Chambers besorgt sie mir. Ich habe ihn mal im Keller erwischt, wie er einen hervorragenden Syrah-Wein aus der Privatsammlung des Dekans getrunken hat. Stag’s Leap, der sechsundneunziger Jahrgang. Wir haben daraufhin eine Abmachung getroffen. Er ist wirklich ein netter Kerl. Ich sollte ihn damit nicht so unter Druck setzen. Übrigens kann er auch ganz anständig malen, wenn auch bedauernswerterweise in einem recht altmodischen, realistischen Stil. Ich habe ihm einmal erlaubt, mich zu porträtieren – der hat mich vielleicht drapiert. Ich hielt eine Frisbeescheibe in der Hand. Ich sollte wohl Hyacinth darstellen. Chambers ist im Herzen ein pompiste . Ehrlich gesagt befürchte ich, dass er glaubt, der Impressionismus habe nie stattgefunden.«
Quentin war noch nie jemandem begegnet, der derart schwindelerregend und unentschuldbar affektiert war. Er hatte keine Ahnung, was er antworten sollte. Er rief das gesamte Wissen ab, das er während seines bisherigen Lebens in Brooklyn erworben hatte.
»Merits sind was für Weiber«, sagte er schließlich.
Eliot sah ihn anerkennend an.
»Sehr richtig. Aber sie sind die einzigen Zigaretten, die ich vertragen kann. Eine ekelhafte Angewohnheit. Komm, rauch eine mit mir.«
Quentin nahm die Zigarette an. Rauchen war unbekanntes Terrain. Zwar hatte er ab und zu mit Zigaretten zu tun gehabt, weil sie unerlässliche Requisiten bei Tricks mit dem Publikum waren, aber er hatte sich tatsächlich noch nie eine in den Mund gesteckt. Er ließ die Zigarette
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