Film ab im Internat
unterdrückt ein Seufzen. Zum Beispiel, wieso mir niemand gesagt hat, dass ich wegen der blöden Bella den Unterricht versäume und nacharbeiten muss. So ein Mist!
Sie schüttelt den Kopf. „Nein. Alles klar so weit.“
„Prima.“ Frau Müller-Stürzelbach reicht ihr den Zettel. „Dann wünsche ich dir viel Spaß. Du bist bestimmt schon schrecklich aufgeregt.“
„Geht so“, meint Carlotta. „Ist ja nur eine winzige Nebenrolle.“
„Na, immerhin!“ Die Sekretärin rückt ihre Brille gerade und lächelt. „Toi, toi, toi.“
„Danke.“ Carlotta steht auf und verabschiedet sich.
Draußen vor der Tür mustert sie den Bogen, auf dem die Drehzeiten und -orte eingetragen sind. Manu und Sofie schauen ihr neugierig über die Schulter.
„Sieht aus wie ein Stundenplan“, bemerkt Manu.
„Nächsten Montag geht es schon los!“ Sofie reißt die Augen auf. „Mon Dieu! Dann wirst du eine echte Schauspielerin sein!“
„Werde ich nicht!“, grummelt Carlotta. Sie faltet den Zettel zusammen und stopft ihn tief in ihren Rucksack. Wenn sie es auf den ersten Blick richtig gesehen hat, muss sie in der kommenden Woche jeden Tag zu den Dreharbeiten. Jeden Tag! Davon war überhaupt nicht die Rede!
Wie komm ich da nur wieder raus?, überlegt sie und stöhnt.
„Nicht vergessen!“ Manu knufft ihr in die Seite. „Jetzt erst recht!“
„Du hast gut reden“, murmelt Carlotta.
„Klar hab ich das“, erwidert Manu. „Ich hab nämlich beschlossen, deine Agentin zu sein! Jeder Filmstar hat so was. Ich regele alles für dich. Mach dir keine Sorgen.“
„Katie will auch meine Agentin sein“, entgegnet Carlotta schwach. „Sie hat bestimmt schon den ersten Schwung Autogrammkarten in Auftrag gegeben, wie ich sie kenne.“
„Na, umso besser!“ Manu strahlt. „Ich organisiere deine Termine, und Katie erledigt die Öffentlichkeitsarbeit.“
„Und ich kümmere mich um deinen Look“, beschließt Sofie lächelnd. „Du wirst eine Stylingberaterin brauchen.“
„Vergesst es! So viel Personal kann ich mir nicht leisten“, wendet Carlotta ein. „Nicht von meiner kümmerlichen Komparsengage!“
„Übers Geld reden wir später.“ Manu schiebt sie den langen Flur entlang. „Jetzt haben wir erst mal Mathe.“
Carlotta sitzt auf einem flachen Stein, ihr zerknittertes Drehbuch auf den Knien, und verspürt den dringenden Wunsch, aufzuspringen, wegzulaufen und niemals wiederzukommen.
„Der Mensch ist ein Fluchttier“, haben sie neulich erst in Bio gelernt, „mit dem angeborenen Zwang, sich bei Gefahr in Sicherheit zu bringen.“
Heute ist Montag, der erste Drehtag, und Carlotta hat gerade eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was es bedeutet, ein in Bedrängnis geratenes Fluchttier zu sein.
Kaum war sie am Drehort eingetroffen, dem alten Kutschenhaus im Park, da hatte ihr schon jemand das Drehbuch in die Hand gedrückt, sie nebenbei darauf hingewiesen, dass ihre Text- und Einsatzstellen grün markiert sind, und gesagt, dass sie sie lernen soll, bis sie aufgerufen wird.
Carlotta blättert die Seiten wieder und wieder durch und stöhnt leise vor sich hin. Überall springen ihr giftgrüne Markierungen entgegen. Die Zeilen verschwimmen schon vor ihren Augen. Niemand hat ihr gesagt, dass sie so viel auswendig lernen muss!
In ihrem Bauch zieht es. Ihre Handflächen sind feucht.
„Vergiss nicht, Herrn Woelki auszurichten, dass ich ihn kennenlernen will!“, hat Manu ihr beim Frühstück eingebläut.
„Du musst mir unbedingt ein Autogramm von Tim Fröhlich besorgen!“, hat Katie gestern gemailt. „Mit einer Widmung ,In Liebe für Katie!‘ wäre super!“
Hilfe!, hämmert es in Carlottas Kopf. Ich will hier weg!
Sie hat keine Ahnung, was sie überhaupt machen muss. Irgendetwas mit einem Papagei, steht in dem Drehbuch.
Ein Papagei – auch das noch!
Sie schaut sich um. Überall herrscht emsige Betriebsamkeit. Große Scheinwerfer stehen herum, obwohl die Sonne scheint. Wildfremde Menschen laufen kreuz und quer durch den Park und rufen sich etwas zu. Sie sehen ganz normal aus, tragen lockere Kleidung, Jeans und T-Shirts. Wenn sie nur nicht so geschäftig wären!
Alle haben anscheinend etwas Wichtiges zu tun. Nur sie hockt hier mutterseelenallein auf diesem blöden Stein. Bestimmt würde es niemandem auffallen, wenn sie sich einfach still und heimlich verdrücken würde.
Sie denkt gerade intensiv darüber nach, in welcher Richtung sie am besten ihrem angeborenen Fluchttrieb nachgeben könnte, da ruft eine
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