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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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Beispiel.
     
    ♫
„… Da gabs nen Knall
    Die Tür sprang auf
    Hell blinkte ein Pistolenlauf
    Ein Riesenkerl stand in der Tür
    Da fragte sie
    Was wollt ihr denn von mir?
    Ich will ein Bier Bier Bier
    Weiter nichts als Bier Bier Bier …“
    (Heino — Bier Bier Bier)
     
    Ein Dosenbier später ist Heino mit seinem Hit noch nicht mal zur Hälfte durch und das Ketamin pellt mir bereits den Schädel wie ein Ei. Die Welt, von der Heino hier singt, kommt mir plötzlich gar nicht mehr so heile vor. Die Zufallsplaylist hat glücklicherweise ein Einsehen, Schluss mit dem Volksmusik-Terror — es folgen
Hammerhead
. Eine Band, die in den Neunzigern einer größeren Öffentlichkeit durch ein denkwürdiges Interview bekannt wurde. Tobias Scheiße,
Hammerhead
-Sänger und routinierter Talkshow-Gast, verkündete damals auf
MTV
: „Ich bin Punkrocker und schmeiß Mülltonnen.“ In Wahrheit hat er in seinem Leben nicht eine einzige Mülltonne geworfen, wie er später zugab.
     
    ♫
„Blitze zucken Krach dröhnt ihm ins Gesicht
    Fratzen mit Riesenrachen auf Fett wabern durcheinander
    Feist und gehetzt
    Durch die Massen ihresgleichen
    Jetzt denkt er, jetzt! Jetzt! …“
    (Hammerhead — Handgranate)
     
    Jetzt, jetzt! Der Song ist kurz und intensiv und harmoniert auf seltsame Weise mit meinem Ketaminrausch: Ich mache mich augenblicklich mit imaginärer Handgranate bewaffnet auf eine Reise Richtung Mittelpunkt der Erde und sehe mir dabei zu, wie ich durch meine Holzdielen sickere. Viel weiter komme ich allerdings vorerst nicht …
     
    Die Droge frisst sich in meine letzte Hirnwindung und scheint dort ein heilloses Durcheinander zu veranstalten. Auf K ist mein Erleben viel direkter an die Wahrnehmung gekoppelt als unter dem Einfluss anderer Spaßmacher. Musik, Bilder oder Filme werden nicht mehr konsumiert, sondern hautnah erlebt.
     
    Leider sorgt die teuflische Zufallsplaylist meines Rechners dafür, dass
Hammerhead
von
Zorn
abgelöst werden. Nun ist
Zorn
so was Ähnliches wie Apokalypse in Noten. In meinem Zustand keine allzu gute Idee, wie mir schnell klar wird. Leider bin ich — mittlerweile in Embryostellung auf dem Fußboden angekommen — schon lange nicht mehr in der Lage, meinen Computer zu bedienen. Er steht gute drei Meter von mir entfernt, ich versuche trotzdem von hier aus nach ihm zu greifen. Mehr als ein hilfloses Winken mit abgeknicktem Handgelenk kommt nicht dabei raus. Immerhin hab ich meinen Körper inzwischen wieder aus den Fugen der Holzdielen ziehen können.
     
    Die sägenden Gitarren, die wummernde Produktion und das hohe Geschrei erschüttern mich bis ins ketaminverseuchte Mark. Der Bass vibriert in meinen Eingeweiden nach — Pansen, Netzmagen, Blättermagen und Labmagen werden ordentlich durchgerüttelt und ich schaue von außerhalb dabei zu. Körper und Geist haben sich wie letztes Mal auf der Feierbiest-Party längst voneinander verabschiedet.
     
    ♫
„Eine Vision wird Wirklichkeit
    Die Auferstehung der ewigen Finsternis
    Ich bin durch eine Wunde gekrochen
    Bevor die Sonne im Eismeer erlosch
    Liege mit gebrochenen Flügeln im Staub und erfriere
    (Zorn — Zeremonie Des Abschieds)
     
    Stecke so tief im Ketaminloch, dass ich nicht nur jeden Satz dieses Songs bildlich vor mir sehe und erlebe, sondern lebe. Inklusive Sonne, Flügeln und meinem eigenen Tod, der kurz bevor steht. Ich werde sterben, bald sterben, prophezeie ich mir selbst und komme mir dabei vor wie
Queequeg
von
Moby Dick
. Vielleicht sollte ich dem Beispiel des Indianers folgen und mir bald einen Sarg bestellen.
     
    ***
     
    Nach 3 oder 4 großen
Binding
in der
Bar Celona
und einigen
Veltins
in der
Luna Bar
stolpere ich am späten Mittwochabend auf der Zeil in ein Mädchen mit Löwenmähne.
     
    Ich bin unrasiert und immer noch ein bisschen auf
Special K
, sie will nach einem Kaffee mit ihrer Kommilitonin nach Hause und sieht super aus. Vielleicht würde sie mich ja aufheitern. Einen Versuch ist es wert. Sie ist aufgeschlossen, ich bin froh drum: In letzter Zeit lief es mit fremden Mädels nicht mehr ganz so gut wie früher. Wir laufen zusammen Richtung Bornheim zu ihr.
     
    An der großen Kreuzung von Seilerstraße und Friedberger Landstraße beende ich die Unterhaltung über spaßig-belanglosen Quatsch indem ich ihr spontan in die rotbraune Löwenmähne packe, sie zu mir ziehe und meine Zunge in ihrem Hals versenke. Ich drücke sie mit beiden Händen an das schwere Gitter der Ludwig-Börne-Schule, sie stöhnt auf.
     
    Unter

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