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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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durch Hackepeter.
     
    Irgendwo muss auch noch ein Schärfstein herumliegen, um das Axtblatt ein wenig flotter zu machen. Wenn ich mir allerdings den Schnitt in meiner Hand so anschaue, scheint das nicht unbedingt nötig zu sein.
     
    Ohne die Unordnung zu beseitigen, schmeiße ich die Kellertür hinter mir zu. In meiner Wohnung sieht es schließlich noch viel schlimmer aus.
     
    Treppe hoch, wieder grinsen mich Totenköpfe an. Im Hausflur laufe ich einer Nachbarin über den Weg, der beim Anblick der blitzenden 80cm-Axt fast die Zunge aus dem Gesicht fällt. Sie hat mich zwei Wochen nicht gesehen und erkennt mich kaum.
     
    So langsam kommen mir erste Zweifel an meinem Plan.
     
    „Rache ist eine Handlung, die den Ausgleich zuvor erlittenen Unrechts bewirken soll. Sie ist immer eine physische oder psychische Gewalttat.“
    (Wikipedia — Rache)
     
    Rache ist wirklich so ein Thema für sich.
Der Graf von Monte Christo
muss sich nach Vollendung seines Plans eingestehen, dass er mit seiner Rache zu weit gegangen ist. Shakespeares
Hamlet
versucht seinen Vater zu rächen und ersticht den Falschen. Auch im Film
Irreversibel
erwischen die Rächer einer Vergewaltigung nicht den Richtigen.
     
    Ich werde meinen Job machen, meine Rache angemessen gestalten und keinem Unschuldigen auch nur ein Haar krümmen. Das schwöre ich.
     
    In meiner Wohnung riecht es wie nach einer Party in einer illegalen Schnapsbrennerei. Ich öffne ein Fenster, Horden von Marienkäfern kommen mir entgegen. Gegen einen oder zwei habe ich nichts, aber in Mengen nerven sie. Außerdem pinkeln sie einem auf die Hand und das riecht dann komisch. Ziehe den Alkoholgestank vor und unterbreche den Zustrom von Insekten und frischer Luft. Das Fenster knirscht beim Schließen.
     
    DVD-Player und Fernseher sind von meiner Alkoholvernichtungs- und Wohnungszerstörungsaktion schwer gezeichnet, funktionieren aber noch. Ich lege
Ein Mann sieht rot
ein. Charles Bronson spielt darin
Paul Kersey
, dessen Frau und Tochter von arbeitslosen Jugendlichen vergewaltigt und misshandelt werden.
Kersey
erledigt daraufhin haufenweise New Yorker Abschaum und kommt am Ende mit Hilfe der Polizei davon. Wirklich ganz groß, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt davonkommen will.
     
    „Kurt Cobain is my hero for having the balls to blow his own head off.”
    (Peter Steele, Type O Negative)
     
    Auf dem Schlachtfeld gibt es keine Atheisten, heißt es und so ist es.

There are no atheists in foxholes“, sagen die Amerikaner. Zu schön ist das, oder nicht? Dabei ist Glaube nicht mehr als eine tröstende Idee. Woran man glaubt, spielt keine Rolle. Ich zum Beispiel glaube vor allem an Selbstmord. Mein letzter Ausweg und eine meiner wichtigsten tröstenden Ideen. Die Idee meines eigenen Selbstmords hilft mir, mein Leben als selbstbestimmt und frei anzusehen. Ich habe mich gestern Abend freiwillig nicht umgebracht. Ich habe aus freiem Willen eine Entscheidung getroffen und bin auch heute Morgen aufgestanden, ohne mich danach umzubringen — auch wenn es einigermaßen knapp war. Das ist meine Freiheit.
     
    Rache und Gewalt hängen untrennbar zusammen. Wenn ich so zurückdenke: Ein wenig gewaltaffin scheine ich schon immer gewesen zu sein …
     
    Das zeigte sich schon bei Kindergeburtstagen von Klassenkameraden. Es muss in der 3. oder 4. Klasse gewesen sein.
     
    Höhepunkt der Veranstaltung: Fünf gegen fünf oder sechs gegen sechs, so genau weiß ich das nicht mehr. Rasen, Kleinfeld, ein ernster Kick. Nun, mit 10 Jahren ist Fußball immer ernst, schließlich geht’s um alles: Leben, Tod und Ehre.
     
    Die Ungerechtigkeit begann bereits bei der Mannschaftsaufstellung: Meine Mannschaft war klar unterlegen, Cliquenwirtschaft der Großkopferten sei Dank. Einwände wurden von diesen ranghöheren Spielern der anderen Mannschaft einfach abgebügelt. Ich biss die Zähne zusammen, es ging los.
     
    Wie erwartet ergaben sich zügig Vorteile für die Anderen, schnell lagen sie mit 3:1 vorn. Klare Kiste, wenn auch nicht uneinholbar. Wir mussten was tun.
     
    Mein Mannschaftskamerad am Ball, ein gefährlicher Angriff. Wie immer war ich der Strafraumstürmer, ein notorischer Abstauber mit eng begrenzten fußballerischen Fähigkeiten, aber Torriecher und Killerinstinkt wie Gerd Müller 72 — mindestens! Genialer Pass in die Tiefe, ich kam an den Ball, verlor aber Zeit, weil ich ihn mir erst auf den rechten Fuß legen musste. Tja, Müller war beidfüßig. Mein Linker hätte sogar

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