Filmwissen
mehr als einmal an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gelangen. In Damned River ( Damned River ; 1988, Regie: Michael Schroeder) geht es um eine Gruppe, die im Schlauchboot einen (afrikanischen) Fluss bezwingen will. Ihr Führer, ein Ex-Söldner, erweist sich freilich als arger Psychopath; er vergewaltigt die Frau und ermordet einen der Männer, bis die Frau zurückkehrt und ihm den Garaus macht.
In The River Wild ( Am wilden Fluss ; 1994, Regie: Curtis Hanson) ist Meryl Streep die Mutter einer Familie in der Krise. Gail lebt mit einem nur an seiner Karriere interessierten Architekten, zwei Kindern und einem Hund in Boston und steht kurz vor der Trennung. Beim Geburtstagsausflug für den Sohn unternimmt man eine Wildwasserfahrt, bei der die naturliebende Mutter den Kindern die Schönheit des Landes und den Fluss, auf dem sie in ihrer Jugend ihre Fähigkeiten als Wildwasser-Fahrerin entwickelte, zeigen will. Zwei Verbrecher aber zwingen Gail, sie durch die gefährlichsten Stromklippen zu bringen. Gail also kämpft mit der wilden Natur und mit den Ganoven und erweist sich als der Gefahr gewachsen, doch zur gleichen Zeit wandelt sich auch der Stadtmensch Tom (David Strathaim) zum Mann der Tat und rettet am Ende die Familie. Was sich da im Genre vielleicht geändert hat, ist nicht nur die Möglichkeit, einer starken Frau all das zuzumuten, was bislang den männlichen Stars des Action-Genres vorbehalten war, sondern auch eine kaum noch verhohlene Restauration; die Restauration des starken Mannes (vielleicht und immerhin: neben der starken Frau) manifestiert sich in einer ebenso trivialen wie eingängigen Szene: Der Hund, der Tom vordem stets auf der Nase herumgetanzt hat, folgt ihm nach seiner Wandlung mit einem Mal aufs Wort.
Zu den Meriten des Films gehört es sicherlich, dass er seine Spannung so langsam aufbaut wie der Fluss seine Geschwindigkeit erhöht, dem sich der Erzählfluss anpasst. Der moralische Diskurs ist dagegen eher bescheiden: die Familie wird gerettet, indem man sie einer Gefahr aussetzt, und das Niveau der Argumentation in der Erzählung bleibt eher trist: der Hund, der dem Mann nie gehorchte (während er auf ein scharfes Wort der Herrin Streep reagierte), wird im Augenblick, da der Mann selbst sich in der Gefahr findet, zu einem gehorsamen Tier; der Sohn, der gegen den schwachen Vater rebellierte, akzeptiert ihn, als er Stärke zeigt. Im Grunde mag The River Wild daher vielleicht weniger ein feminines Abenteuer als eine Widerstandsphantasie des Mannes sein.
Filme wie The River Wild handelten vor allem davon, wie man in der Gefahr das eigene Leben und das seiner Nächsten, das einem in der Alltäglichkeit von Arbeit und Familie so bedeutungsarm geworden ist, wieder zu schätzen lernt. Andere Filme suchten tiefer nach den verzweifelten Versuchen der Menschen in der postindustriellen Gesellschaft, ihrem Leben in der physischen Anstrengung und in der Wiederbegegnung mit der Natur (oder dem, was sie jeweils dafür halten) einen neuen Sinn zu geben. In Mosquito Coast ( Mosquito Coast ; 1986, Regie: Peter Weir), gedreht nach dem Roman von Paul Theroux, ist Allie Fox alias Harrison Ford ein Hobby-Erfinder, der sich mit seiner Familie aus den Segnungen der amerikanischen Zivilisation in den Dschungel von Honduras begibt, nachdem man seine Leistungen, vor allem seine stromunabhängige Eismaschine, nicht anerkennen will. Dort konfrontiert er die Einheimischen mit seinen Ideen der «wahren Zivilisation». In der Wildnis fällt er gleich auf ein «großartiges» Geschäft herein: Er kauft eine Geisterstadt, in der sich nur ein paar heruntergekommene Eingeborene befinden. Sogleich beginnt Allie Fox feuereifrig damit, das Land zu roden, baut ein Haus, legt einen Fischteich an, richtet sich ein. Zuerst leben er, seine Frau (Helen Mirren), die beiden Söhne und die beiden Mädchen, auf dem gekauften Stück Land ein autarkes Leben; es scheint, als sei nun doch so etwas wie ein kleines Paradies entstanden. «Genauso hätte Amerika sein können», meint Allie Fox stolz. Dann aber beginnt er dieses Leben immer mehr zu rationalisieren, zu verplanen und durch seine Erfindungen zu «verbessern». Er verwandelt die Farm in eine Agrarmaschine, und seine Familie versteht bald nicht mehr, warum man dazu in den Dschungel gehen musste. Seine Besessenheit wird immer mehr zu einem echten Wahn, und unter seinem Starrsinn hat zuallererst seine Familie zu leiden. Allie Fox ist zugleich eine Art Anti-Robinson und ein Vorfahr des D-FENS
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