Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
Schulweg.
Er bog um die Ecke und wäre fast gegen das große schwarze Ungetüm gelaufen, das direkt dahinter unter einer Straßenlaterne stand. Eine Mülltonne! Heute war Müllabfuhr, und er hätte das beinahe vergessen!
Ihm wurde fast schlecht vor Hunger, wenn er an all die Köstlichkeiten dachte, die in so einer Tonne steckten. Wurstpellen und Fleischreste, Hühnerkarkassen und Fischköpfe, die niemals ganz leeren Becher von Sahne und Crème fraîche, die man auslecken konnte … Unerreichbare Schätze.
Doch gottlob hatte nicht jeder in Beaulieu eine Tonne. Vor allem die Alten packten ihren Müll noch in schwarze Plastiksäcke, die sie vor die Tür stellten, was notleidenden Kreaturen die Selbstversorgung erheblich erleichterte.
Ihm lief das Wasser im Maul zusammen, wenn er daran dachte, was sich in so einem Plastiksack alles verbergen konnte. Und gleich am Ende der Ruelle wurde er fündig. Er rannte los. Doch er kam zu spät. Die Hunde hatten den blauen Plastiksack zerrissen und dessen Inhalt weiträumig verstreut. Filou strich vorsichtig um die traurigen Reste herum. Der abgenagte Knorpel eines Hühnerknochens. Eierschalen. Das Einwickelpapier eines Stücks Butter. Und ein Hauch von Wildschweinpaté. Enttäuscht huschte er weiter, hoch zur Kirche.
Wieder ein schwarzer Sack. Doch der roch nach vermodertem Laub. Uninteressant. Der Sack zwei Haustüren weiter sah ganz so aus, als ob man die Hunde vertrieben hatte, bevor sie sich alles hätten einverleiben können. Er witterte verborgene Schätze. Und tatsächlich: Die Tölen hatten zwar ein Loch in die Plastikfolie gerissen, doch man hatte es mit einer Zeitung wieder zugestopft. Er hockte sich hinter den Sack, wo ihn niemand sehen konnte, und machte sich an die Arbeit. Geduldig zog und zupfte er, bis er die Zeitung aus dem Weg hatte. Dann kroch er tief hinein in den Müll.
Betäubende Gerüche umfingen ihn – nach Kaffeesatz und Zigarettenkippen, nach Zwiebelschalen und ausgequetschten Zitronen, Gestank, den er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Aber dahinter verbargen sich andere Düfte, die auf spannendere Fährten führten. Salatblätter – nun, das war nicht sein Ding, aber manchmal gab es Schnecken auf ihnen. Interessanter war Papier, an dem sich Spuren von Schinken und Käse befanden, die man sorgfältig ablecken konnte. Und irgendwo in der Tiefe des Müllsacks verbarg sich ein großes Versprechen, das spürte er mit allen Sinnen.
Endlich hatte er es vor der Nase: ein dickes, fettes, triefendes Stück ausgekochter Bauchspeck. Es war nicht zu fassen. Sein Schweif zitterte vor Erregung, als er die Speckschwarte mit den Zähnen packte und aus dem Sack ins Freie zog.
Er schleppte die Beute mit hoch erhobenem Haupt die Ruelle hinunter zur Rue Basse und sprang in seinen alten Keller. Erst machte er sich gierig über das fette Fleisch her und schlang und schluckte. Dann zwang er sich dazu, jeden Bissen zu genießen. Und als er sich den letzten Speckhauch von den Lefzen geleckt hatte, rollte er sich zusammen und schlief ein.
SIEBENUNDZWANZIG
F ressen macht hungrig, und hungrig wachte er am Morgen auf. Er schlenzte hinüber zur Rue des Fleurs, aber keiner seiner Brüder wartete auf ihn. Er lief durch die menschenleere Stadt, hoch bis zu den Touristenhäusern, aber er traf keine Menschenseele. Und als ihm gar nichts mehr zu der Frage einfiel, wie er momentanen und künftigen Mangelsituationen begegnen könnte, machte er sich endlich auf den Weg zu Ma Dame, der Mutter des Bürgermeisters.
Ma Dame war in der Tat keine schlechte Wahl. Ihr Hund war vor einigen Monaten gestorben, ein fetter, aber ganz verträglicher Labrador. Eine Katze hatte sie nicht, dafür aber eine Katzenklappe. Und eine Katzenklappe war unabdingbar, er musste frei sein. Er sprang eine bemooste Treppe hoch zum Tor von Ma Dames Haus.
Vorsichtig steckte er den Kopf durch die Klappe und schnupperte. Die Luft war rein. Er sprang durch die Öffnung hindurch in einen feuchten Hof. Efeu kletterte die Wände aus dicken Steinquadern hoch. In einem steinernen Trog wuchsen Christrosen. »Extrem giftig«, hatte Zsazsa gemahnt, damals, als sie ihm das Leben erklärte. Doch in der Ecke stand ein Freund: ein Busch immergrüner Steinlorbeer.
Er lief eine weitere Treppe hoch, auf eine überdachte Veranda, auf der ein staubbedeckter Tisch, eine Bank und Stühle standen. Unter dem Vordach hing eine Wäscheleine, an der ein paar dunkle Kleidungsstücke baumelten. Dahinter lag die Haustür.
Nun, die würde
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