Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
Kampfname. Geronimo, der rote Rächer.«
Maurice gähnte und inspizierte die sauber geschliffenen Krallen seiner rechten Vorderpfote. »Du weißt schon. Der Apachenhäuptling.«
Filou wusste gar nichts, und das sah man ihm wahrscheinlich auch an.
»Die Schlacht von Sonora? Nein?«
Filou schüttelte den Kopf.
»Kennt doch jeder«, murmelte Diabolo und gähnte. »Das ist die Frau vom Metzger.«
Angeber, dachte Filou.
»Geronimo war ein Schamane, ein mächtiger Häuptling«, dozierte Maurice und widmete sich den Krallen der anderen Pfote. »Wenn man auf ihn schoss, wurden die Kugeln zu Wasser und perlten an ihm ab.«
»Wasser? Wo?« Garibaldi schreckte hoch.
»Es ist jedenfalls ein sehr ehrenhafter Kampfname«, sagte Magnifico. »Wenn es zum Äußersten kommt, wirst du als Geronimo in unseren gerechten Kampf ziehen. Ende der Debatte.«
»Wir gehen jetzt an die Arbeit, Kleiner«, verkündete Diabolo. Als alle ihn anstarrten, kratzte er sich verlegen hinter dem Ohr. »Filou, wollte ich sagen.«
Was das für eine Arbeit war, merkte Filou erst, als sie auf dem Markt eintrafen, wo die Händler bereits aufräumten und die Katzen der Umgebung vor dem Fischstand anstanden. Diabolo sprang auf sie zu und patrouillierte mit herrisch peitschendem Schwanz an einer Seite der Schlange entlang, Filou hatte die Aufgabe, auf der anderen Seite das zu verbreiten, was Diabolo Disziplin nannte – also Angst und Schrecken. Die Parole: »Beiß alles weg, was aus der Reihe tanzt oder nicht dazugehört.«
»Und was – gehört nicht dazu?«, hatte Filou gefragt, dem unbehaglich zumute war. Monatelang war er derjenige gewesen, der weggebissen wurde. Und nun sollte er über das Schicksal anderer bestimmen?
»Katzen, die zu Hause jeden Tag ihre Dose kriegen, wie die da«, grummelte Diabolo und zeigte auf Mimi, die sich hinter Mignons verfilztem Pelz zu verstecken versuchte. »Die so viel haben, dass sie immer die Hälfte stehen lassen.«
Das leuchtete ein. Mit den opportunistischen Nutznießern des Systems musste man wirklich nicht die paar Happen teilen, die beim Markt abfielen. Und wenn er an die Hiebe dachte, die Mimi ihm versetzt hatte, damals, als er noch klein war …
Er schlenderte hinüber zu den beiden Katzen. Mignon begrüßte ihn verdächtig freundlich. Mimi wich seinem Blick aus.
»Geh nach Hause«, sagte er zu ihr. »Du gehörst nicht hierhin.«
Er erwartete Widerworte. Tatzenhiebe. Gezische und Gefauche. Und er hatte, trotz aller revolutionären Sprüche, Angst davor, zurückzufauchen – oder gar zurückzuschlagen. Doch sie gab keinen Laut von sich, senkte den Kopf, duckte sich zur Seite und schlich davon.
Er aber stand da und wusste nicht, wie ihm geschah. Er ließ das Erlebnis wirken, horchte ihm hinterher, spürte tief in sich hinein und fühlte es endlich perlend emporsteigen, ein exquisites, nie gekanntes Gefühl: Er war kein Kätzchen mehr, das man herumschubsen konnte.
Er war Filou, Kampfname Geronimo, der rote Rächer, er war ein freier Kater, der tun konnte, wie ihm beliebt. Der nichts und niemandem gegenüber verantwortlich war. Und der seine Freiheit verteidigen würde bis aufs letzte Barthaar.
VIERUNDZWANZIG
U nd so vergingen die Tage, in einem Leben voller Möglichkeiten: Man konnte träumend in der Sonne liegen, dort, wo die Herbstsonne noch wärmte. Man konnte durch die Katzenklappe in die Auberge Fleuri einsteigen und Mimi das Futter wegfressen. Man konnte durch den Wald streifen mit Maurice, dem es nichts auszumachen schien, dass er seine Beute mit Filou teilen musste, der das Mausen noch immer nicht beherrschte.
»Filou, mein Bruder, nimm hin und iss«, pflegte Maurice spöttisch zu sagen und ihm das Vorderteil der Maus zu überlassen, die er ganz nebenbei am Wegesrand abgegriffen hatte.
Und man konnte nachts mit den Brüdern in den Mond schauen und einvernehmlich schweigen. Oder revolutionäre Reden schwingen.
An einem dieser sternklaren und schon empfindlich kalten Nächte saßen sie oben beim Roche du Diable auf der Felsspitze, von der aus man den perfekten Blick auf Beaulieu hatte, hielten die Nase in den Wind und schworen sich wieder einmal, dass sie sich niemals unterwerfen würden.
»Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern«, murmelte Maurice verträumt. »In keiner Not uns trennen und Gefahr.«
»Wir wollen frei sein«, deklamierte Magnifico andächtig, »wie die Väter waren.«
»Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben«, trompetete Diabolo.
Filou war beeindruckt,
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