finde-mich-sofort.de (German Edition)
vorhanden, vielleicht kommen auch tausend andere Probleme auf mich zu, wie damals …
Kontrolle
Im Spätherbst meines ersten Internetjahres suchte ich wie so oft an diesen langen, einsamen Abenden nach Unterhaltung auf meiner Lieblings-Single-Plattform. Neuer Mann, neuer Versuch, neues (Un)-Glück! Und los!
Kontrolle gab sein Alter mit vierzig an und sah toll aus. Ein dunkelhaariger, braungebrannter und sportlich wirkender Mann, der auf dem Foto nett lächelte. Zuerst überprüfte ich wie immer seine Größe und Rauchgewohnheiten, bevor ich auf seine Zeilen im Chat antwortete. Auf den ersten Klick perfekt. Ich spürte ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Er stammte aus Thüringen. Das bringt immer Pluspunkte. Ich habe in Erfurt meine Schulzeit verbracht und bekomme bei leichtem Thüringer Dialekt Heimatgefühle. Bei soviel positiven Eindrücken schien mir schnelles Handeln gefragt. Chatten, Anrufen, Treffen.
Bei unserem Zwei-Stunden-Telefonat hatte ich erst einmal nur meinen Vornamen preisgegeben und beiläufig erwähnt, dass ich am kommenden Wochenende auf dem Theaterschiff meiner Heimatstadt auftreten würde. Es gibt mir ein besseres Gefühl, am Anfang nicht allzu viel Persönliches zu erzählen. Je weniger ich bei den ersten Kontakten von mir preisgebe, so hoffte ich jedenfalls immer, umso anonymer bleibe ich. Darum rufe Ich bei den Männern an und gebe meine Telefonnummer nicht weiter, lege mir mehrere private E-Mail Adressen zu, die ich schnell wieder kündigen kann, und rede wenig über mich und mein Umfeld.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Männer beim Kennenlernen sehr gern über sich sprechen und sich ganz leicht ausfragen lassen. Es fällt ihnen meisten gar nicht auf, wenn ich nichts von mir erzähle, und ich mache zudem den Eindruck, eine gute Zuhörerin zu sein. Beim ersten Date wusste Kontrolle trotzdem mehr über mich als ich über ihn. Er wusste alles!!! Er hatte jede Zeile gelesen, die irgendwo über mich im Netz stand. Fluch dieses sonst so genialen Mediums. Jeder wird schnell durchgegoogelt! Ich wurde unruhig. So etwas irritierte mich.
»Über dich habe ich ’ne ganze Menge im Internet gefunden, hahaha!« Er lachte albern. »Du bist Kabarettistin und Moderatorin beim Fernsehen. Das finde ich toll, hahaha!«
Was gab es da zu kichern, fragte ich mich und versuchte, mich von meiner diffusen Panik nicht beirren zu lassen. Die Frage, warum mir Kontrolle trotz seines eigenartigen Verhaltens, wie im vergangenen Sommer schon Buchhalter , gefiel, stellte ich mir gar nicht. Warum stand ich nicht auf und ging? Warum haben Männer, die komisch, verlogen, irre, untreu oder kontrollsüchtig sind, meine volle Aufmerksamkeit? Ist das eine Form von weiblichem Masochismus? Vielleicht war es aber auch nur die Sehnsucht, endlich einen Mann zu finden.
Erzählte Kontrolle von seiner zweijährigen Depression, pathologisch relevant und in vielen Therapiesitzungen und mit Medikamenten gesellschaftsfähig gemacht, rief das in mir mütterliche Instinkte hervor; erzählte er Räuberpistolen über Nutten, die er aus den Zuhälterfängen befreite, freute ich mich über seine Fantasie. Je komischer er mir vorkam, desto interessanter fand ich ihn. Mir muss irgendein Instinkt fehlen oder durch langes Alleinleben abhanden gekommen sein. Sein permanentes albernes Lachen beim ersten Treffen und seine absurden Erzählungen hätten mich stutzig machen müssen. Stattdessen verabredete ich mich mit ihm, wieder und wieder. Wir einigten uns zum Beispiel auf einen Termin, um einen Tag gemeinsam in der Therme Belzig zu verbringen. Er nahm dafür extra Urlaub, weil ich mir so einen Relaxtag ja schon immer gewünscht hätte! Er wollte mich gentlemanlike von zu Hause abholen, rief dann kurz vorher an und verabredete sich mit mir vor Ort, um zehn Fahrkilometer zu sparen. Zwar hatte ich mir einen gemeinsamen Tag etwas anders vorgestellt, aber ich wurde ja immer leidensfähiger oder – wie ich mir gern bestätigte – toleranter. Wir trafen uns am Tresen der Therme. Ich bestellte für mich zwei Stunden mit Sauna, darauf er: »Zwei Stunden ohne Sauna.« Mein verdutztes Gesicht und das Angebot, die drei Euro mehr Eintritt zu übernehmen, konnten ihn nicht von der Überzeugung abbringen, dass man bei dem Wetter einfach nicht zur Sauna ginge!
»Mensch, Kontrolle !«, sagte ich, »Dort haben wir unsere Ruhe, einen großen Saunagarten, eine Cafeteria und können auch alles andere nutzen.«
War ihm egal. Also trennten wir uns. Ich genoss –
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