finde-mich-sofort.de (German Edition)
hatten. Die verschwand zwar wortlos im Bad, beschwerte sich aber später über uns. Meine Tochter hat es tapfer hingenommen.«
»Wie war denn nun eure Nacht?«
»Wir rauchten, redeten und hörten Musik, das war nett, auch wenn ich unter Distanzverringerung etwas anderes verstehe. Nach zwei Gläsern Sekt signalisierte ich ihm, todmüde zu sein. Er saß noch immer auf dem Bettrand und sagte plötzlich, er wolle noch mit mir sprechen. Ich dachte noch, was ist denn jetzt so wichtig, dass es nicht bis morgen Zeit hätte? Er sah mir ganz ernst in die Augen und sagte: ›Du, um keinen falschen Eindruck bei dir entstehen zu lassen, muss ich dir sagen, dass ich keine Beziehung mit dir eingehen kann und will und außerdem nicht in dich verliebt bin.‹«
»Och nö«, krächze ich nasal, »hoffentlich bleibt mir so was beim zweiten Mal mit Carsten erspart. Muss man das nicht eigentlich schon beim ersten Treffen spüren?«
»Na, Equivocal hat es bestimmt schon beim ersten Mal gespürt, aber ich nicht. Mir blieb für eine Sekunde die Luft weg!«
»Hast du ihn rausgeschmissen?«
»Nein. Wer jagt schon einen Mann nachts halb vier auf die Straße. Ich ging einfach ins Bett. Mir war schlecht, und ich war betrunken und trotzdem dauerte unsere Nacht dann viele Stunden.«
»Wie soll ich das denn verstehen? Du hast mit ihm gepoppt, nach diesem Geständnis?«
»Und wie! Als ich schon fast eingeschlafen war, kam er aus dem Bad zurück und legte sich lautlos auf die andere Seite des Doppelbetts. Ich hatte mich weggedreht, Decke bis zum Kinn. Ich spürte seinen Atem in meinem Genick, er küsste meinen Nacken, drehte mich dann um und sah mir in die Augen. Einen so sinnlichen Blick hatte ich bis dahin weder bei ihm noch je bei einem anderen Mann gesehen. Er küsste mich, warm und weich, und dann begann er meine unausgesprochenen Wünsche zu erfüllen. Du, diese Nacht hat mein Leben komplett verändert. Ich habe vor Jahren bei Kinski mal was über multiple Orgasmen gelesen und geglaubt, der Kerl spinnt. Jetzt weiß ich, dass es stimmt und man wahrscheinlich nur einmal im Leben auf jemanden trifft, der so etwas auslösen kann. Es war das Genialste, was ich bisher erlebt habe.«
Alexandra hatte gefühlte zwanzig Zigaretten geraucht und schaut mich jetzt aus halb geschlossenen Augen versonnen an. Ich bin sauer, weil sie schon wieder an einem meiner Meinung nach aussichtslosen Fall festhält. Dieser Mann liebte sie nicht, gab nichts von sich preis und wollte nur das EINE .
Ironisch frage ich: »Sei ehrlich, jetzt willst du am liebsten mit ihm zusammenziehen und ihn heiraten!«
»Dafür hat er leider keine Zeit«, antwortet sie erschreckend ernst. »Wir treffen uns selten und nur, wenn er Lust hat. Einmal überkam mich wahnsinnige Sehnsucht und ich stand einfach unangemeldet vor seiner Tür, obwohl mir klar war, dass es meinem Künstler zu viel sein könnte. Ich habe darüber eine erotische Geschichte geschrieben. Soll ich sie dir mal vorlesen?«
Eifrig wühlt Alexandra in ihrer großen schwarzen Handtasche und befördert ein zerknittertes Blatt Papier ans trübe Licht der bunten achtarmigen Deckenlampe meines Krankenzimmers. Obwohl erst früher Nachmittag, ist es auch für diese Jahreszeit sehr dunkel. Ich stehe langsam auf und gehe zum Fenster. Etwas frische Luft scheint mir nötig. Während ich nach einer Ausrede suche, um die Vorlesestunde zu verhindern, schaue ich auf das Hofpflaster. Das Licht des Bewegungsmelders über der Haustür spiegelt sich in vereisten Pfützen. Alexandra raschelt ungeduldig hinter mir. Ich schließe die Vorhänge, schleppe mich zurück aufs Sofa und sende meiner am Fußende sitzenden Vorleserin einen leidenden Blick. Mitleidlos wertet sie mein Tun als Zustimmung, holt tief Luft und liest mit einschmeichelnder, rauer Stimme:
» Als er die Tür öffnete sah er so aus, als ob er nichts anderes erwartet hätte. Ich war irritiert. Er lächelte. Bevor ich noch ein Wort sagen konnte, griff er mich sanft im Genick und zog mich herein. Dann fasste er mich fest an den Haaren, so dass ich nichts tun konnte, drückte mich an die Wand seines dunklen Flures. Nur zwischendurch hörte ich Musikfetzen eines Titels, der mich immer noch in Schwebezustände versetzt. Coils melancholischer, zweistimmiger Gesang nahm mich mit in andere Sphären, während ich in die undurchschaubaren Augen meines geheimnisvollen Verführers sah. Mein Hals lag völlig frei, und ich war unfähig, mich aus seinem Griff zu befreien. Zwischen
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