finde-mich-sofort.de (German Edition)
ihm »auszutauschen«. *gähn*
Während ich das Zischen und Grummeln der Kaffeemaschine und die klappernden Stöckelschuhschritte meiner Schwester aus der Küche höre, erinnere ich mich.
Gar nicht lange her, es war im vergangenen September, sie hatte ihren ADVOCARD gerade in die Wüste geschickt und ich Peter aus meinem Herzen verbannt, da traf Alexandra einen schwarzgelockten Jüngling im Netz, der sich Equivocal nannte, was laut Wörterbuch soviel wie dubios, fragwürdig und verdächtig bedeutet. Genauso kam mir der Typ nach ihren Erzählungen auch vor. Er hielt meine Schwester mit wochenlangem E-Mail-Kontakt hin; er machte ihr von Anfang an klar, dass ihr im Profil geäußerter Wunsch nach Liebe und Treue bei ihm nur Langeweile auslöste. Er fühlte sich provoziert von ihrer Doppeldeutigkeit, mit der sie beschrieb, dass ihr Partner gern reich und gut aussehend sein dürfe.
Alexandra war trotzdem von ihm hingerissen. Sein Foto zeigte einen schlanken Typen, knapp 1,80 Meter groß und – wie sie – schwarz gekleidet. Er trug längere Haare, worauf sie schon immer abfuhr, und schaute mit ernstem Gesicht in die Kamera. »Ein Künstler durch und durch!«, schwärmte sie.
Es rumpelt an meiner Wohnzimmertür, die sich wie von Zauberhand öffnet. In jeder Hand einen Kaffeebecher balancierend, begleitet von frischem Kaffeeduft, erscheint Alexandra im Wohnzimmer, setzt sich zu mir aufs Sofa, fühlt – ganz krankenschwestermäßig – meine Stirn, schüttelt professionell den Kopf, so als wolle sie sagen, dass mein Genesungsfortgang unzureichend sei.
Sie muss glücklich sein. Das erkenne ich an ihren Klamotten, die heute ausnahmsweise nicht komplett schwarz sind. Sie trägt einen weißen Rollkragenpullover, der sie entspannt und vergnügt erscheinen lässt. Ihre schulterlangen Haare sind mit frischen roten Strähnchen durchzogen und toll frisiert. Sie strahlt mich an und kann kaum an sich halten, mir ihre neueste Geschichte zu erzählen. Ich stelle mich auf eine ausschweifende Schilderung ihres Opfers Equivocal ein. Natürlich macht sie es wieder spannend.
»Liebe Tatjana«, jubelt sie. »Ich habe eine gute Nachricht für dich. Die elende Suche hat für mich ein Ende!«
Die Erklärungen, die jetzt folgen, trägt Alexandra mit einer Feierlichkeit vor, die mich an meine Jugendweihe erinnert. »Wir beide haben jetzt alles beguckt und gesehen«, fährt sie weit ausholend fort, »alle Nach- und Vorteile des Internets diskutiert. Unsere zuvor noch ambitionierte Suche ist doch zur reinen Fotoschau verkümmert.«
Ich rolle innerlich mit den Augen, wundere mich, warum sie jetzt eine Grabrede auf unsere Internetsuche hält und sage laut: »Amen.«
Mich trifft ein halb irritierter, halb wütender Blick, während sie unbeirrt fortfährt: »Wir haben uns doch im Sekundentakt entschieden, ob wir etwas von unserem Gegenüber wissen wollten oder nicht. Das war doch grottenlangweilig!«, mault Alexandra. Die kurze Pause, in der sie genüsslich Zigarettenrauch auspustet, nutze ich schnell und sage: »Liebe Schwester, wenn du so weiterredest, hört das mit der Langeweile nicht auf. Was hast du mir denn nun zu berichten?«
»Ich habe ihn gefunden«, jauchzt sie. »Den Richtigen! Den unnachahmlichen, sensationellen Liebhaber!«
»Du meinst doch nicht etwa Equivocal ?«, frage ich ungläubig. Sie nickt so heftig, wie es sonst nur Kinder tun, die ein Lob erwarten.
Ich gebe den Kampf um eigene Redezeit auf und lege mich bequem zurück, füge aber sicherheitshalber an: »Und mach schnell, ich bin krank und müde!«
»Ja, ja!«, sagt sie und ihre Augen leuchten, »du erinnerst dich doch noch, dass er mir damals schrieb, wir – also er und ich – seien nicht kompatibel! Hat mich das wütend gemacht. Als ich seine Mail aber noch mal gelesen hatte, stellte ich fest, dass er mich doch besser einschätzte, als ich vorher vermutete. Er hatte recht, Tati! Ich habe mich bei der Beantwortung meiner Profilfragen mit Gemeinplätzen aufgehalten. Jede dritte Frau äußerte ähnliche Wünsche. Meine Darstellung, so ehrlich sie auch war, hob sich nicht von der einer Durchschnittsfrau ab. Nie in meinem Leben wollte ich Durchschnitt sein – und war ich auch nie, oder? Ich stand doch meistens im Mittelpunkt, und meine Partner wollten oft mehr Aufmerksamkeit von mir, als ich ihnen geben konnte.«
»Ich glaube«, wende ich zaghaft ein, »das erwähntest du schon mal, Alu. Was ist denn nun mit deinem EQUI , komm zum Punkt!«
Jetzt ist sie in ihrem
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