Finger weg Herr Doktor!
»Ich hab’s. Viel besser!« Sie kam so nahe an ihn heran, daß sie Gefahr lief, einen Mundvoll seiner Haare zu erwischen. Sie flüsterte: »Hast du schon von einer gewissen Lady Blaydon gehört?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Papa hat in den letzten Monaten mit ihren Rechtsanwälten zu tun gehabt. Sie hat dem Spital eine Menge Geld gegeben.« - »Hat sie Kies?«
Muriel nickte eifrig. »Papa sagt, sie schwimmt in Geld. Ich hab’ gehört, sie bewohnt eines dieser enormen Appartementhäuser, die auf den St.-James-Park schauen. Mein Vater kennt sie nicht persönlich, daher würde sie nur glauben, er war einer deiner zufriedenen Kunden. Du könntest mit dem Moped hinfahren und schauen, ob sie sich für etwas interessiert. Wenn nicht, ist damit noch nichts vertan, nicht wahr?«
»Vielleicht.« Er dachte einige Augenblicke nach.
»Nett, einmal mit den besseren Ständen Geschäfte machen zu können. Sie wissen gute Ware eher zu schätzen. Ha!« Herablassend fügte er hinzu: »Noch ein Helles?«
24
In dieser Nacht träumte der Dean wieder, daß ihn die Königin auf der flaggengeschmückten Estrade köpfte. Schweißgebadet wachte er auf, voll Erleichterung, daß alles nur ein Traumgespinst war. Er warf einen Blick auf die Uhr und sah, daß es schon sieben Uhr vorbei war. Dann überkam ihn ein angenehmes Gefühl. Gerade dieser Tag würde ihm eine der größten Genugtuungen seines Lebens bescheren.
Gewöhnlich beeilte sich der Dean mit seiner Toilette, bestrebt, schnell aus dem Haus und ins Spital zu kommen. Er hatte sich in dieser Woche sogar noch mehr beeilt, um schon fort zu sein, wenn Sir Lancelot zum Frühstück herunterkam. Weit davon entfernt, ihn heiterer zu stimmen, schien die nahende Hochzeit den Chirurgen in immer schlechtere Laune zu versetzen. Aber an diesem Morgen trödelte der Dean im Bad und beim Ankleiden und achtete darauf, daß seine Frau zuerst hinunterging. Er wollte ganz sicher sein, nach dem Frühstück seinen Gast allein anzutreffen.
Als der Dean sich an den Tisch setzte, hatte Josephine schon eine Tasse Kaffee hinuntergestürzt und eilte zu einer letzten Anprobe des Kleides, das sie für die morgige Hochzeit gekauft hatte, in die Bond Street. Muriel erhob sich und sagte, sie müsse vor der Visite noch einen Patienten untersuchen. Nur George saß gähnend über seinen Cornflakes. Der Junge macht jetzt am Morgen immer einen so müden Eindruck, dachte der Dean besorgt. Vielleicht sollte er sich behandeln lassen?
Neben seinem Teller lag nur ein Brief. Er war vom Vorstand der psychiatrischen Klinik von St. Swithin. Der Dean las ihn knurrend. »Mir scheint, du hast die Psychiater im St. Swithin bei deiner Untersuchung gestern nachmittag ziemlich beeindruckt.«
George blickte ihn schweigend an. Seit dem Zwischenfall mit dem Schreibtisch des Ministers war er viel zu erschrocken, um überhaupt mit seinem Vater zu sprechen. »Sie beeindruckt?«
»Ja. Sie kommen zu dem Schluß, daß du für die Beschäftigung mit der Medizin geistig ungeeignet bist.« - Langsam breitete sich ein Lächeln auf Georges Gesicht aus.
»Sie gehen noch weiter. Sie unterstellen, daß du für jegliche Beschäftigung geistig ungeeignet bist.« Er warf den Brief auf den Tisch. »Wenn du’s also aufgeben willst - meinetwegen. Obwohl ich mich auf das Wort eines Psychiaters nicht einmal dann verlassen würde, wenn es sich um die Tauglichkeit eines Fisches fürs Wasser handelt. Du bedeutest eine enorme Zeit- und Geldverschwendung, aber da du von beider Wert keine Idee hast, nehme ich an, daß das dein Gewissen wenig belasten wird.«
»Aber Papa -«
Der Dean unterbrach ihn. »Ich will kein Wort mehr darüber hören. Das Thema ist für mich sehr schmerzlich. Sobald wir Sir Lancelot los sind, werden wir in Ruhe über deine berufliche Laufbahn beraten. Vielleicht tätest du gut daran, auszuwandem.«
George löffelte die restlichen Cornflakes in sich hinein und machte sich aus dem Staub. Der Dean griff zur Morgenzeitung. Inga räumte schweigend den Tisch ab. Der Dean wußte, daß Miss MacNish wegen der bevorstehenden Hochzeit zum Friseur gegangen war. Sie würden ungestört sein. Die Szene war gestellt, das Drama konnte beginnen.
»Morgen, Dean.« Sir Lancelot erschien und setzte sich an den Tisch. »Geben Sie mir doch bitte das Blatt mit dem Kreuzworträtsel herüber. Ich zerbreche mir gern beim Frühstück den Kopf.«
Der Dean fixierte ihn kalt. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Vielleicht interessiert es Sie,
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