Fingermanns Rache
Vernehmungsräume gehörten.
»Hallo, Frau Tesic, schön, dass Sie trotz Ihres Urlaubes kommen konnten«, sagte er.
Marion antwortete mit einem müden Lächeln.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Illsen besorgt.
»Geht schon. Nur etwas Kopfschmerzen.«
»Dann ist ja gut.« Illsen wies Marion den Weg. »Arndt will nur mit Ihnen reden, und ohne ihn kommen wir einfach nicht weiter.«
Marion nickte und blickte im Vorbeigehen in ein Büro. Eine ältere Frau goss Blumen und schaute auf. Ihr Blick war feindselig und verfolgte Marion. Marion rieb sich die Schläfen, Illsens Hand berührte ihre Schulter.
»Da geht’s lang«, sagte er und wandte sich nach rechts. »Wie mir zu Ohren gekommen ist, sind Sie bestens informiert, dennoch gebe ich Ihnen eine kleine Zusammenfassung unserer bisherigen Ergebnisse. Eine Zusammenfassung von nichts, wenn man so will.« Illsen hob verzweifelt seine Hände. »Trotz intensivster Nachforschungen haben wir noch keinen von Arndts Komplizen ausfindig machen können. Weder die alte Dame, die sich als Miriam Eisen ausgegeben hat, noch die beiden Frauen, die Bakkers Tod zu verantworten haben. Zwar haben wir die Räumlichkeiten gefunden, wo das Verbrechen stattgefunden hat, aber brauchbare Spuren gibt es nicht. Von den Nachbarn hat auch niemand etwas mitbekommen, was bei dem ganzen Aufwand, der betrieben wurde, höchst verwunderlich ist. Das Gleiche gilt für das Kraftwerk Rummelsburg und für den Flughafen Tempelhof. Auch hier keine brauchbaren Hinweise. Selbst die Speditionen, die die Stanzen und sonstigen Materialien geliefert haben, bieten keinen Anlass zur Hoffnung. Sie wurden von Briefkastenfirmen im Ausland beauftragt. Zwar ist Interpol darauf angesetzt, aber die haben eigentlich schon von vornherein abgewinkt.«
Illsens Worte erreichten Marion kaum, zu sehr wurde sie von ihren Kopfschmerzen abgelenkt. Sie hatte schon drei Tabletten genommen, ob eine vierte schädlich war?
»Von dem Entführungsopfer, Fabian Flaig, können wir uns auch nichts erhoffen. Der ist in einer geschlossenen Nervenheilanstalt untergebracht und wird diese wohl nicht mehr verlassen. Sein behandelnder Arzt sagt, Flaig leide unter einer totalen Amnesie, und eine Besserung sei nicht in Sicht. Der Mann habe keine Vergangenheit und keine Zukunft. Er könne sich an nichts erinnern und sich nichts merken. Flaig sei wie ein Blatt Papier, das am Tag vollgeschrieben und in der Nacht gelöscht werde – armer Kerl.«
Inzwischen hatten sie den Vernehmungsraum erreicht, ein Vollzugsbeamter stand an der Tür.
»Ich bleibe draußen, Arndt will mit Ihnen allein reden.« Illsen machte ein genervtes Gesicht. »Als ob wir die Vernehmung nicht aufzeichnen würden.«
Der Beamte schloss die Tür auf.
»Ach ja, eins noch«, warf Illsen ein. »Arndt kritzelt unentwegt auf einem Notizblock rum, obwohl sein Kugelschreiber keine Tinte hat. Lassen Sie sich dadurch nicht irritieren.«
Wilbur Arndt saß an einem Tisch, der mitten im Verhörraum stand, und schrieb tatsächlich auf einen Notizblock. Neben dem Notizblock lag ein Stapel leerer Blätter. Arndt trug noch immer seinen Armeemantel – Anstaltskleidung war nicht vorgeschrieben.
»Das ist ziemlich unsinnig, wenn man es nicht lesen kann«, sagte Marion.
»Lesen können es nur diejenigen, für die es bestimmt ist«, entgegnete Arndt, ohne den Kopf zu heben. »Haben Sie ein bisschen Medizin für mich dabei?«
»Sie wissen, dass das verboten ist.«
»Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.«
»Wir sind keine Freunde.«
»Natürlich sind wir das, sehr gute sogar. Deshalb sollten Sie sich um mich sorgen. Fünf Tage ohne einen Tropfen – so ein kalter Entzug kann dich umbringen.«
»Wenn Sie mich für einen Freund halten, dann möchte ich Ihre Feinde nicht kennen. Im Übrigen scheint es Ihnen gar nicht so schlecht zu gehen.«
Arndt blickte auf. »Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Frau Tesic. Die Zeit ohne mich tut Ihnen nicht gut.«
Marion nahm einen Stuhl und setzte sich. Arndt hatte recht, die Kopfschmerzen waren kaum auszuhalten. Auf ihre Ellbogen gestützt, rieb sie sich Stirn und Schläfen. Das Neonlicht war zu grell, die Klimaanlage zu laut. Ihr ging es wirklich beschissen – wie sollte sie das nur durchstehen? Marion zog den Stuhl näher zu sich heran, richtete sich auf, und plötzlich gab ihr Stuhl nach. Krachend landete sie auf dem Boden. Arndts Gestalt schob sich vor die Neonröhre, sein Gesicht lag im Schatten, seine Stimme war ganz nah.
»So schnell
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