Fingermanns Rache
mit General Njasow?«
»Verstehe.«
Meyer lächelte. »Sie sind nicht vom Sozialamt.«
»Und auch
nicht Ihre Bewährungshelferin«, erklärte die Frau ungeduldig. »Nun steigen Sie
endlich ein!«
»Nur, wenn
ich wieder aussteigen darf.«
»Keine
Sorge, ich bringe Sie schon pünktlich in Ihren Knast zurück.«
»Na denn.«
Meyer setzte sich auf den Beifahrersitz und schloss seufzend die Wagentür. »Ich
hatte mir meinen Freigang zwar anders vorgestellt, aber –«
»Wie
denn?«, unterbrach ihn die Frau und gab Gas. »Erzählen Sie, ich bin gespannt:
Was will der General von Ihnen?«
Meyer
lehnte sich zurück und schnallte sich an. »Mal angenommen, ich wüsste, wer Sie
sind und wovon Sie reden«, sagte er nach einer Weile gedehnt, »vielleicht würde
ich mich mit Ihnen unterhalten.«
»Wie wär’s
mit einem Frühstück«, schlug die Frau vor.
»Gute
Idee«, antwortete Meyer, »die Morgenmahlzeiten sind im Knast eher einseitig.«
»Toast,
Rührei mit Zwiebeln und Speck? Orangensaft dazu?«
»Nicht
übel. Und einen Espresso, stark und schwarz.« Er sah die Frau durch seine
randlose Brille an. »Laden Sie mich ein?«
»Gerne.«
Die Frau fuhr auf die Stadtautobahn Richtung Innenstadt. »Ich hab schon mehr
für gute Informationen zahlen müssen.«
»Wer sagt
Ihnen denn, dass ich gute Informationen liefere?«
»Mein
Gefühl, Meyer«, erwiderte die Frau, »nur mein Gefühl.«
Wenig
später saßen sie unter Sonnenschirmen draußen vor dem Bistro an der Filmbühne
am Steinplatz. Die Vögel zwitscherten im Laub der alten Bäume, gedämpft war der
Autoverkehr von der nahen Hardenbergstraße zu hören. Aus den Lautsprechern des
Bistros klang eine verkratzte Aufnahme von Edith Piafs »La Mer«.
Meyer war
zufrieden. Er hatte lange nicht mehr so gut gefrühstückt. Wenn nur die
drückende Hitze nicht wäre. Er schwitzte wie ein Schwein.
»Sie
sollten sich sommerlicher kleiden«, die Frau bestellte zwei Eiskaffee, »sonst
zerfließen Sie mir noch.«
»Cordula!«
Jetzt hatte er’s. Meyer zog sein Sakko aus und schob die Ärmel seines
Rollkragenpullovers hoch. »Deckname Cordula, richtig? Hauptabteilung zwo.«
»Sieht man
mir das an der Nase an?«
»Die Augen,
Cordula, die Augen.« Meyer grinste. »Die Augen bleiben immer gleich. Wir hatten
’85 mal miteinander zu tun. Die Affäre Johanna Olbrich , erinnern Sie sich?«
»Besser
nicht.« Cordula winkte ab.
»Ihr Haar
war anders. Länger, glaube ich. Und waren Sie damals nicht auch blond?«
»Ich war
vor allem etwas jünger.« Sie lachte.
»Sechs
Jahre«, präzisierte Meyer.
»Ja«, sagte
sie nachdenklich, »sechs Jahre.«
»Gut.«
Meyer tupfte sich mit einer Serviette die Stirn trocken. »Jetzt, wo ich weiß,
mit wem ich es zu tun habe, können wir auch reden.«
»Schießen
Sie los!«
»Moment
noch! Für wen arbeiten Sie?«
»Immer noch
für denselben Verein.«
»Den gibt’s
nicht mehr«, stellte Meyer fest. »Sie haben die Seiten gewechselt.«
»Hätte ich
eine Alternative gehabt?« Sie schüttelte unmerklich den Kopf. »Es gibt keine
zwei Seiten mehr.«
»Das muss
nicht so bleiben.«
»Treffen
Sie sich deshalb mit Njasow?«
Meyer
wartete, bis die studentische Servierkraft die beiden Eiskaffee auf den Tisch
gestellt hatte, nahm sich dann die zwei Gläser und presste sie sich zur
Abkühlung links und rechts an die schweißnassen Schläfen.
»Es gibt in
dieser Stadt Menschen«, sagte er in dieser Haltung, »die würden Ihr Verhalten,
liebe Cordula, durchaus als Verrat bezeichnen. Wir kommen beide aus demselben
Stall«, setzte er schärfer hinzu, »Sie sollten wissen, dass unsereins nicht mit
Verrätern paktiert!«
»Kalte
Kriegsrhetorik«, winkte Cordula ab. »Die Zeiten haben sich geändert, Meyer.«
»Nicht für
mich. Das Thema Klassenkampf ist akuter denn je.« Er setzte die Gläser ab und
packte Cordula am Arm. »Verdammt noch mal«, zischte er eindringlich, »haben Sie
vergessen, wofür wir stehen? Mehr Gerechtigkeit! Die Abschaffung der Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen! Sozialismus!«
»Sie
kämpfen auf verlorenem Posten, Meyer.«
»Kaum.« Er
ließ sie wieder los. »Sonst würden Sie sich nicht so sehr für mein Gespräch mit
General Njasow interessieren.«
»Was die
Russen vorhaben, ist Wahnsinn.«
»So?«
Meyers Augen blitzten hinter der Brille. »Was haben sie denn vor?«
Cordula
seufzte und nippte an ihrem Eiskaffee. »Sie sollten zweigleisig fahren, Meyer.
Es ist nicht gesagt, dass der Plan
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