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Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Weiglein
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und Marion wandte sich an Arndt. »Gehen Sie freiwillig mit?«
    »Ich mache alles freiwillig«, antwortete dieser.
    »Was haben Sie dem älteren Herrn auf der Straße eigentlich gesagt?«
    »Na, die Zauberworte, die immer helfen: Ich habe AIDS und rotz dich jetzt voll.«
    *
    Bakker betrat, ohne anzuklopfen, Schortens Büro. Der telefonierte gerade, während Tesic ihre Unterlagen ordnete. Normalerweise hätte Bakker Tesic mit einem dummen Spruch herausgefordert, doch an der Art, wie Bernhard Schorten sprach, erkannte er, dass es besser war, die Klappe zu halten.
    Schorten war äußerlich ruhig, seine Stimme leise, aber schneidend.
    »Auch ein junger Polizist hat eine Ausbildung genossen«, sagte er. »Sie hatten eindeutige Anweisungen. Es lag in Ihrer Verantwortung, dass sie erfüllt werden. Wenn Sie sich nicht imstande sehen, einen Obdachlosen überwachen zu lassen, müssen Sie es mir sagen.«
    Schorten wies Bakker einen Stuhl und beantwortete die folgenden Fragen zweimal mit »Ja« und einmal mit »Nein«. Dann wünschte er einen guten Tag und legte auf. Schorten hob den Kopf und sagte: »Karl, du beginnst.«
    »Ist alles in Ordnung, Bernhard?«
    »Ich sagte: Du beginnst!«
    Bakker atmete tief durch und warf einen Blick auf seine Notizen. »Also«, eröffnete er. »Das TAGESGESCHEHEN steht recht gut da. Die Auflage ist stabil, das Anzeigenaufkommen ist zwar nicht üppig, reicht aber aus. Die Löhne werden pünktlich gezahlt. Alles in allem ein solides Unternehmen, diese Zeitung. Der Chefredakteur macht einen vernünftigen Eindruck und zeigt sich mit unserer Vorgehensweise einverstanden. Beim Verleger bin ich mir nicht so sicher. Der könnte schon der Versuchung unterliegen, die Sache an die große Glocke zu hängen, was aber in seiner Position nichts Ungewöhnliches ist. Den Volontär vermisst außer seiner Betreuerin keiner. Der Kerl hat bei niemandem einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Seine Betreuerin nannte den Flaig unscheinbar und farblos. Genau das waren ihre Worte. Passt auch irgendwie zu seiner Wohnung. Da sieht es aus wie in einem Möbelhaus. Alles steril und künstlich. Selbst die Pflanzen sind nicht echt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich nichts Verdächtiges entdeckt habe. Dennoch sollten wir den Verleger im Auge behalten. Vielleicht kann man seine private finanzielle Situation überprüfen?«
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Schorten und wandte sich Marion zu. »Und jetzt zu Ihnen, Frau Tesic.«
    Marion gab ihren Bericht ab. Bakker machte sich Notizen, und Schorten stellte noch eine abschließende Frage: »Halten Sie die Aussagen für vertrauenswürdig, speziell die unserer Jeanne d’Arc?«
    »Im Grunde schon. Gerade weil sie keine Freundin der Polizei ist, glaube ich ihr.«
    »Gut. Und was wollen Sie mit den Artikeln von Arndt?«
    »Ist so eine Vermutung. Vielleicht hat er sich mal mit Entführungen beschäftigt, wer weiß. Bei der Sichtung könnte mich ja Mendel unterstützen. Wo ist der überhaupt?«
    Schorten verzog säuerlich sein Gesicht. »Mendel hat vorhin angerufen und sich wieder krankgemeldet.«
    »Dieser Sack.« Wütend verstaute Bakker sein Notizbuch. »Ich hätte es mir denken können. Wenn das Weichei einen Arzt sieht, ist mindestens eine Woche Erholung bei Mutti drin.«
    »Es sind zwei Tage. Und halte dich mit deinen Aussagen zurück, Karl. Als Weisungsbefugter kannst du so etwas denken, aber nicht aussprechen«, mahnte Schorten.
    Während Bakker sich noch aufregte, beendete Schorten die Besprechung mit einem Kopfnicken. Alles Nötige war getan, jetzt musste man auf ein Zeichen des Entführers warten.
    *
    Um 18 Uhr 37, als Bakker und Tesic schon Feierabend hatten, traf die nächste E-Mail ein. Schorten studierte den Inhalt, konnte aber keine konkreten Hinweise erkennen. Auffallend war ein düsterer Kinderreim, dessen Titel »Der Fingermann« lautete.
    »Wurde auch Zeit«, murmelte Schorten und druckte die E-Mail aus. Mit dem Ausdruck in der einen Hand und dem Brandy und einem Kognakglas in der anderen strebte Schorten in den Keller. Der Polizeimeister, der für die Bewachung Arndts abgestellt war, konnte nichts Verdächtiges berichten. Schorten betrat die Abstellkammer. Entgegen seiner Vermutung saß Arndt an dem kleinen Tisch und formte aus Draht Figuren. Sein Mantel, den er nur zum Schlafen abzulegen schien, knirschte, als er sich dem Hauptkommissar zuwandte.
    »Ah, Raubtierfütterung«, sagte er, als er den Brandy sah.
    Wieder hatte Schorten das Gefühl, Arndt von

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