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Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Weiglein
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Küche erfüllte immer noch ihren Zweck. Bodenständigkeit war kein Makel.
    Für eine Weile blieb Schorten regungslos stehen und musterte sich in einem spiegelnden Hängeschrank – ein Mann Mitte fünfzig mit schweren Tränensäcken –, dann verließ er fluchtartig die Wohnung.
    Wie betäubt irrte er durch das Viertel. Sein ganzes Leben war eine einzige Lüge. Ein Haus ohne Fundament, nur durch Selbstbetrug zusammengehalten. Wie konnte er glauben, dass Cordula glücklich war, wie konnte sie ihn nur so hintergehen? Wie konnte ein Mensch sich über Jahre hinweg so verstellen? Hier die Ehefrau, die Pflichtbewusste, die sein Leben zusammenhielt, die von allen geachtet wurde. Und dort die Betrügerin, die ein Doppelleben führte. Schorten verstand nicht, wie sie mit dieser Lüge leben konnte. Er verstand nicht, wie er sich in Cordula so täuschen konnte. Die Frau, die er zu kennen glaubte, existierte nicht.
    Irgendwann fand er sich am Spreeufer wieder und setzte sich auf eine Bank. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Der Versuch, sich abzulenken, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, misslang. Zum ersten Mal war ihm seine Arbeit gleichgültig. Das Einzige, was ihn interessierte, war seine Frau. Wo sie sich aufhielt, wie sie ihre Untreue rechtfertigen würde. Er musste mit ihr reden, vielleicht konnte er ihr sogar vergeben, sie zurückholen, das Ganze ungeschehen machen. Ja, alles ungeschehen machen, das war das Einzige, was er wollte, alles andere war unwichtig. Mit einem Mal war Schorten klar, was er zu tun hatte. Er wählte die Nummer seines Vorgesetzten.
    *
    Die Staatsanwältin Dr. Hilde Rensch und der Leiter der Abteilung für Delikte am Menschen, Kriminaldirektor Jochen Sandt, warteten im Büro der Staatsanwältin. Sandt beobachtete Rensch, wie sie energisch die Unterlagen im Entführungsfall Fabian Flaig durchblätterte. Ihre viel zu kurzen Finger huschten über die Blätter und kneteten ihr Doppelkinn, das sich bildete, wenn sie den Kopf nach unten neigte. Ihr cremefarbenes Kostüm saß perfekt wie immer, konnte aber ihre massige Figur nicht kaschieren. Die Hüften noch breiter als ihr Oberkörper, darauf ein feister Kopf mit streng nach hinten gekämmtem Haar und kleinen, leicht geröteten Augen – sie erinnerte Sandt an ein zum Kampf bereites Tier. Das ist es, dachte er, sie sieht aus wie ein Pitbull, der sich an einen Schreibtisch verirrt hat. Dieser Gedanke ließ ihn lächeln und verdrängte das unangenehme Gefühl der Unterlegenheit, das er stets in ihrer Nähe verspürte.
    Als Sandts Handy klingelte, blickte sie auf. Entschuldigend zuckte er mit den Schultern und hob ab. »Sandt. Bernhard, wo bist du nur? Wir versuchen dich seit geraumer Zeit zu erreichen.«
    Nun folgte eine längere Pause, die Rensch unruhig auf ihrem Sitz herumrutschen ließ. Sandt nickte mehrmals, sagte: »Ich verstehe« und »Wir sind alle betroffen«. Dann hörte er wieder zu. Mit den Worten »Du weißt, zu wem du zu gehen hast« und »Wir sprechen heute Abend darüber« schloss er. Sandt verstaute umständlich sein Handy, während Rensch unnötigerweise aufstand und sich wieder hinsetzte.
    »Schlechte Nachrichten«, eröffnete Sandt. »Hauptkommissar Schorten hat den Fall abgegeben. Er wird nachher unseren Psychologen aufsuchen. Der wird ihn mit Sicherheit für dienstunfähig erklären.«
    Renschs Mundwinkel zuckte, während Sandt fortfuhr: »Karl Bakker und er waren Freunde, schon seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der Polizeihochschule. Er sieht sich außerstande, in diesem Fall weiterzuermitteln.«
    »Auch das noch. Ich dachte, Schorten sei einer unserer belastbarsten Ermittler.«
    »Schorten ist die Zuverlässigkeit in Person. Aber er ist keine Maschine. Außerdem gehe ich davon aus, dass Sie die Vorschriften kennen, die gelten, wenn der Ermittler vom Fall persönlich betroffen ist.«
    »Ja, aber Vorschriften sind dehnbar. Gerade weil Bakker sein Freund war, hätte man hier eine Lösung gefunden. Außerdem könnten wir dann gleich seine gesamte Gruppe abziehen.«
    »Tesic und Mendel haben diesbezüglich nichts gesagt.«
    »Gut, immerhin sind noch zwei übrig. Dennoch brauchen wir jetzt eine kompetente Person an der Spitze und einen Ersatz für Bakker.«
    »Frau Tesic macht sich sehr gut.«
    »Das Püppchen? Ich glaube, die wird generell überbewertet. Vor allem von Männern.«
    »Die Beurteilung meiner Mitarbeiter müssen Sie schon mir überlassen, Frau

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