Fingermanns Rache
blickte in die Runde und sagte: »Viel Glück«, dann gab er das Zeichen zum Aufbruch.
Die vier Gruppen näherten sich auf unterschiedlichen Wegen dem Kraftwerk. Rick Hauser führte seine Gruppe an, ihr Ziel war die Haupthalle. Der Einstieg durch den östlichen Seiteneingang war problemlos. Eine Treppe führte nach oben, danach ein langer Gang. Kabel hingen von der Decke, Rohre verloren sich im Nichts. Milchige Schiffsarmatur-Leuchten sorgten für Licht – woher kam der Strom?
Vor jeder Nische das gleiche Spiel: Sicherung, Sichtkontrolle, das Okay-Zeichen und weiter.
Hauser hatte die Pläne im Kopf. Nach fünfzig Metern kam der Linksknick, dann das Doppeltor, dahinter die Haupthalle. Seine Kollegen postierten sich links und rechts des Tores. Hauser prüfte einen Seitenflügel – unverschlossen. Ein kurzes Nicken, dann stieß er den Flügel auf und rollte sich nach vorne ab. Die Halle war vollkommen dunkel. Licht fiel durch das geöffnete Tor.
Wie auf dem Präsentierteller, durchzuckte es Hauser. Er rollte sich seitlich aus dem Lichtkegel.
»Rein und Tor zu«, befahl er.
Die Männer kauerten an der Wand. Hausers Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Erst jetzt bemerkte er die grünlich schimmernden Zeigerinstrumente der Leitwarte am Ende der Halle. Von dort war auch ein Summen zu vernehmen, unterbrochen von einem unregelmäßigen Klacken.
Hauser nahm sein Nachtsichtgerät und justierte es. Seine Gruppe befand sich wie geplant auf dem rechten Seitengang zehn Meter über dem eigentlichen Hallenboden. Armdicke Kabel verbanden mehrere Generatoren, verrostete Dampfleitungen führten zu den Turbinen, Unrat und wahllos verteilte Drahtgitter versperrten den Weg. Die Leitwarte lag unterhalb ihrer jetzigen Position und war nur über eine Treppe zu erreichen. Ein vergittertes Podest, verbunden mit der Leitwarte, ragte in die Halle. Hauser machte zwei Menschen aus. Die Geisel und eine Zielperson. Ketten, die an einem Deckenkran hingen, schränkten seine Sicht ein.
»Statusmeldung Gruppe zwei«, funkte Hauser leise. »Geisel und einen Entführer auf der Leitwarte gefunden. Rücken dichter ran.«
»Gut«, antwortete der Kommandoführer. »Nähere mich mit Gruppe drei vom Boden aus. Weitere Befehle abwarten.«
Die beiden anderen Einheiten meldeten sich. »Gruppe eins. Haben die beiden auch gesichtet. Befinden uns auf dem linken Seitengang in vorderer Position. Die Geisel ist gefesselt, die Augen sind verbunden. Entführer ist bewaffnet.«
»Gruppe vier. Sind im Keller. Haben vermutliche Zelle der Geisel gefunden. Sind auf keine weitere Person gestoßen. Kommen durch den Aufgang in der Hallenmitte rauf.«
Hauser führte seine Männer bis zum Ende des Seitengangs. Er schickte sie nach unten, damit sie schnell eingreifen konnten. Selbstständig nahmen sie die günstigsten Positionen ein. Seine eigene Stellung war nicht optimal. Die Zielperson wurde zum Teil von dem Kran verdeckt. Außerdem lagen Geisel und Zielperson in einer Schusslinie. Dennoch verwarf Hauser einen Stellungswechsel. Auf seiner zugeteilten Seite gab es keine bessere Position. Hauser legte den Lauf des Präzisionsgewehrs auf das Geländer und stellte das Zielfernrohr ein – circa fünfundzwanzig Meter bis zur Zielperson. Auf diese Entfernung hätte er eine Fliege getroffen.
Die Zielperson war über ein Stehpult gebeugt und mit einem flachen, rechteckigen Gegenstand beschäftigt – einem Laptop. Neben der Zielperson die Geisel. Deren Hände waren auf den Rücken gebunden und an dem Gitter befestigt. Ihr Kopf ruckte ängstlich hin und her, die rechte Hand steckte in einem klobigen Verband.
Der Laptop wurde aufgeklappt, bläulich flammte der Bildschirm auf. Automatisch regelte sich der Restlichtverstärker des Nachtsichtgeräts herunter. Einzelheiten wurden deutlich. Die Zielperson trug einen alten Armeemantel. Lange graue Haare hingen in ihr faltiges Gesicht. In einer Hand hielt sie eine uralte Parabellum-Pistole, deren Funktionstüchtigkeit fragwürdig war.
Eindeutig Wilbur Arndt, stellte Hauser fest. Augenblicklich stieg sein Puls an.
Wilbur Arndt richtete eine Webcam aus, die neben dem Laptop stand. Dabei sprach er in ein Headset-Mikrofon. Links und rechts des Podestes hingen Lautsprecher. In kurzen, regelmäßigen Abständen bediente er mit dem Fuß einen Schalter.
Die Gruppen drei und vier hatten jetzt ebenfalls Stellung bezogen.
»Was soll das nur werden?«, fragte einer.
»Nicht ablenken lassen«, befahl der Kommandoführer, dann
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