Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen
bleiben, bis in Kittilä der erste Schnee fällt und die Mökki-Karawane zum Schulanfang zurück in die eng geschnittenen Eigentumswohnungen der Städte (Helsinki) und Städtchen zieht.
Die Walderdbeere, metsämansikka , reift zuerst, zwei Wochen darauf die Heidelbeere, mustikka , in meergleichen Feldern, schließlich die Sumpfbeere, lakka , strahlend gelb wie der Pfifferling, kanttarelli , und tief im Wald wie der Steinpilz, herkkutatti . All diese Schätze müssen zunächst gefunden, dann gepflückt, schließlich gesäubert und sodann in kleinen Plastikschälchen eingefroren werden, um sie für den Rest des langen Winterjahres auf die morgendlichen Haferflocken oder den alltäglichen Abendlachs zu geben und sich so der Möglichkeit eines neuen Sommers zu versichern - dieser wenigen, handgezählten Märchentage des meist späten Juli, da die Mittagssonne Milliarden goldener Funken auf dem Seen entzündet, und die Glücklichsten unter den Finnen auf dem Lande Hochzeit feiern, kesähäät .
»Schöne, wie würdest du dein Land eigentlich in drei Sätzen beschreiben? Robert hat mich das heute nämlich beim Grillen gefragt.«
Robert ist mein Schwager. Und Robert ist Rundfunkjournalist. Seine Existenz ist von der Überzeugung durchdrungen, alles, was der menschliche Geist überhaupt zu begreifen imstande ist, ließe sich mit etwas gutem Willen und ausreichender Schulung in dreißig Sekunden erklären. In Gesprächen mit Robert fühle ich mich immer ein wenig unter Druck.
»Gutes Frage«, meint meine Frau. »Ich würde sagen, Finnland verhält sich zu der Erde wie das Erde zu der Universum. Weißt du, wir sind ein bisschen weit weg von die Zentrum, und wenn du vorbeifliegst an uns, denkst du, ach, da gibt es doch nur Wasser und Wolken. Deswegen steigt auch wenige aus hier. Macht aber nix, sind ja auch ganz gut allein zurechtgekommen bis jetzt.«
Mal abgesehen von den Artikeln ist das absolut sendefähig. Grundgut und bescheiden klingt es, pflegt das Image vom sympathischen Außenseiter. Ein bisschen Naturromantik schwingt ebenso mit wie der stille Stolz, nichts und niemandem etwas schuldig zu sein.
Allerdings lässt sich dieser O-Ton meiner finnischen Frau auch anders und deutlich hochmütiger auslegen. Denn will sie mit ihrer Charakterisierung nicht eigentlich zu verstehen geben, dass ihre Heimat der einzige Ort auf Erden ist, an dem sich wahrhaft intelligentes Leben findet, ja, dass es sich bei diesem unscheinbaren blauweißen Flecken auf der Landkarte recht betrachtet um das geistig-kulturelle Zentrum des Universums handelt?
Natürlich will sie das, weil es das ist, woran sie tief in ihrem Herzen glaubt. Jeder mir bekannte Finne tut das.
»Verstehe, und du bist dann also meine Miss Universum?«
»Du weißt schon, dass es mal einer richtige finnisches Miss Universum gab«, erwidert meine Frau, die bei diesem Thema, wie bei vielen anderen finnischen Themen, überhaupt keinen Spaß versteht. »Der Armi Kuusela 1952 nämlich, und 1975 hat das Anne Pohtamo gewonnen.«
Klar, weiß ich. »Kuusela müsste lächeln«, im Finnischen ist das ein mindestens ebenso tief verankerter Satz wie das deutsche »Rahn müsste schießen«. Die Bedeutung dieses Sieges wird deshalb auch in Matti Klinges legendärem Standardwerk Geschichte Finnlands im Überblick besonders herausgestellt. Auf Seite 137 ist ein halbseitiges Foto der strahlenden Siegerin abgedruckt, versehen mit der Unterschrift: Wie wichtig auch die kleinste Geste einer Anerkennung für das auf noch unsicheren Füßen stehende Nachkriegsfinnland war, zeigte die landesweite Anteilnahme am Erfolg der Bauerntochter Armi Kuusela, die 1952 zur Miss Universum gekürt wurde .
Vor allem aber wurde ich mit der überragenden Bedeutung Kuuselas bereits in den ersten Minuten meines Antrittsbesuches im Hause der Schwiegereltern vertraut gemacht, denn in der Küche des Järvenpääer Einfamilienhauses hing ein über die Jahrzehnte gründlich vergilbtes und wellig gewordenes Poster der Heldin. Auf höflich interessierte Nachfrage des Gastes erklärte mir Hausmutter Pirkko Päiviö: »Armi Kuusela, Miss Universe,
married a man from the Phillipines, hotel guy, small and fat was he, five children … No good«, wo - rauf sie dem Kühlschrank eine Halbliterdose Lapin Kulta entnahm und mir diese donnernd vor die Nase setzte. Es war Sonntag und halb elf Uhr morgens.
Das mit dem Bier sei freundlich gemeint, flüsterte meine finnische Frau und wies mich an, ich solle jetzt besser
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