Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen
Blättern von Seerosen oder Farnen; ein Ereignis, das der Finne gerne mit dem Ausruf » Vittu,
grönsaker !« begleitet. Der zweite Teil ist Schwedisch und bedeutet »Gemüse«.
Ob seiner wesensgemäßen Effekthascherei bleibt der Spinner dem Finnen suspekt, in jedem Fall steht er nach Ansehen und Einsatz weit hinter dem Wobbler zurück. Denn der Wobbler - und zu wenige Menschen wissen es - zählt neben dem Penicillin, der Atombombe und dem Mikrochip zweifellos zu den zentralen Innovationen des 20. Jahrhunderts. Sein evolutionäres Geheimnis besteht darin, beim Eintauchen eine leicht taumelnde Bewegung zu vollziehen, die als subtile Abweichung von der Norm in den Augen des Räubers wirksam die Bewegung eines kranken, geschwächten und damit schutzlosen Fisches imitiert. Ein Quantensprung in der Geschichte des Angelns.
Er vollzog sich, wie könnte es anders sein, in Finnland, genauer in einem pömpeli , als der unter seinen Freunden lange als verwegener Tüftler bekannte Fischer und Forstmann Lauri Rapala an einem müßigen Herbstnachmittag des Jahres 1936 einen ordinären Flaschenkorken zur Hand nahm, ihn mit Stanniolresten einer Käseverpackung sowie eines Schokoladenriegels umwickelte und diesen dann, um die Tarnung zu vollenden, mit unbrauchbaren Fotonegativen goldbraun umschmolz. Damit war er aus der Taufe gehoben, der erste Wobbler der Welt.
Mit mehr als zwanzig Millionen verkauften Exemplaren jährlich dominiert das Rapala-Imperium bis heute den globalen Ködermarkt. Ja, dank der geduldigen Kreativität finnischer Topingenieure dürfen wir heute
zwischen schwimmenden, schwebenden und sinkenden Wobblern wählen, jeweils in ein-, zwei- oder dreigliedriger Ausführung und wiederum wahlweise mit einem, zwei oder drei Drillingshaken. Ferner unterscheidet das Sortiment, je nachdem welche Krümmung die transparente Schnabelschaufel aufweist, zwischen Flach- und Tiefläufern, wobei sämtliche Modellvarianten in dezenten Pastelltönen (für die seltenen Sonnentage) sowie in grellen Schockfarben erhältlich sind - von meinem Schwager und dessen Geschäftkollegen scherzhaft Virpis genannt.
Der Finne, er wobbelt für sein Leben gern. Und das ist durchaus übertragen zu verstehen, darf doch das täuschende Markieren einer Schwäche, eines Mangels oder Unvermögens, gepaart mit einem schüchternen und scheinbar ambitionslosen Schwänzeln knapp unter der Oberfläche, geradezu als soziale Schlüsselkompetenz dieses Völkchens bezeichnet werden. Bis heute wird das charakteristische Muster weltweit mit Bescheidenheit verwechselt.
» Vain vähän «, »just a little bit«, nur ein bisschen, pflegt ein Finne reflexartig zu erwidern, wird er von neugierigen Fremden nach irgendeiner Fähigkeit, Stärke oder Spezialisierung gefragt, woraufhin er oder sie die Augen leicht zusammenkneift und schüchtern zu Boden blickt. Aufpassen!
Mit einer passiv-aggressiven Wobblertaktik, lesen Sie es nach, köderte General Mannerheim Stalins Sowjetarmee einst ins Fiasko. Und wie viele deutsche Topmanager, sagen wir, von Siemens, Porsche oder Lidl,
mögen noch auf dem Rückflug über die groteske Unbeholfenheit ihrer radebrechenden Finn-Partner gefeixt haben, um sich nur drei Tage später - per E-Mail - feindlich übernommen und sämtlicher Boni beraubt zu sehen. Von den Finten der wobbelnden Finnin im Geschlechterkampf gar nicht zu sprechen. Um eine pastellfarbene, dezent lächelnd von der Party heimtaumelnde Finnin als dreizackige Tiefläuferin zu durchschauen und trotz intensiven Wobbelns an der Bushaltestelle ihres Weges ziehen lassen zu können, dafür braucht man, glauben Sie es mir oder wenigstens dem guten Gabriele, lange Jahre schmerzgestählter Erfahrung.
So kommt es, dass ich immer wieder voller Respekt das differenzierte Repertoire meiner Rapala-Wobbler durchspiele, einzelne Exemplare über Minuten prüfend in der Hand bewahre, ja, wie Kleinode gegen das Licht halte, mich in den meisten Fällen dann aber doch für die schlichte Präsenz des Blinkers entscheide - ein leicht in Löffelform gebogener Metallköder, der als Friedfischimitat weitgehend schnörkellos durch das Wasser surrt und in seiner soliden Grundschwere, ein augengleicher Kunststein sein einziger Schmuck, nur einen seiner selbst ganz und gar gewissen Räuber zum Biss verführt - ein würdiger Köder für einen würdigen Fang.
Doch gehe ich, wie gesagt, nur noch selten, gehe allenfalls noch mit, leite Freunde an, teile mein spärliches Wissen, welches den deutschen
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