Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Kommentare abzuwarten.
»Das dürfte eine sogenannte rhetorische Frage gewesen sein«, sagte Piirala an der Tür.
Wrede war sich nicht sicher, ob Piirala einen speziellen Sinn für Humor hatte oder ein bierernster Typ war.
Riitta Kuurma ging schnell in ihr Zimmer und schloss die Tür. Sie fühlte sich ausgenutzt. Im vorletzten Sommer war sie noch ein Grünschnabel gewesen, der nicht einmal auf die Idee gekommen wäre, Befehle des Chefs der SUPO in Frage zu stellen. Jetzt begriff sie, dass die Menschen wichtiger waren als dieArbeit. Sie würde Befehle nicht mehr schlucken wie Öl. Riitta Kuurma entschied sich, Ratamo zu vertrauen, und verließ ihr Zimmer.
Sie versuchte sich zu beruhigen. Wenn sie ohne jede Dramatik von Ketonens Verdacht erzählte, würde vielleicht auch Arto die Nachricht gelassen aufnehmen. Ketonen versuchte ja auch nur seine Arbeit zu machen. Sie klopfte an die Glasscheibe und schob die Tür auf.
Ratamo stand am Fenster und schaute hinaus. »Diese Dunkelheit im Winter ist deprimierend. Wenn doch schon der Sommer käme und die Kondomwerbung«, sagte er. Riitta Kuurma musste lächeln. Er nahm einen Stapel Unterlagen vom einzigen Besucherstuhl in seinem Zimmer, legte ihn auf ein Regal und bat Riitta, Platz zu nehmen. Ein wenig beschämt erzählte er von den Ereignissen am Vormittag in Tommilas Keller. Die Betäubungsspritze hatte ihn völlig überrumpelt.
Riitta Kuurma bedankte sich noch einmal für das Abendessen am Donnerstag und erzählte dann, man habe Tommila entführt und im Zusammenhang mit Holms Verschwinden gebe es Unklarheiten. »Eigentlich bin ich gekommen, weil ich jetzt genauso zwischen Baum und Borke stecke wie im vorletzten Sommer. Ketonen hat dich und Aalto in Verdacht, dass ihr etwas mit dem Datendiebstahl zu tun habt.«
Ratamo erstarrte. Das hatte er nicht verdient. Um etwas Nützliches zu tun, hatte er die ruhige und sichere Arbeit des Wissenschaftlers aufgegeben, und nun verdächtigte man ihn, ein Verräter zu sein. Hatte Ketonen ihn deswegen mit in die Ermittlungen einbezogen? Wollte der Mann einen möglichen Feind in seiner Nähe haben? Er wusste nicht, was er sagen sollte. »Danke Riitta. Schön, dass du es mir gesagt hast.«
Riitta Kuurma hatte erwartet, Ratamo würde sich darüber freuen, dass sie sich Ketonens Befehl widersetzte, aber derMann wartete ja ganz offensichtlich nur darauf, dass sie ging. Einmal mehr wünschte sie sich, die Finnen würden auf Probleme reagieren wie Italiener – indem sie darüber redeten.
Wollte Ratamo ihre Nachricht erst einmal verdauen, oder war er nur ein undankbarer Mistkerl? Riitta Kuurma drehte sich um und marschierte ohne Abschied hinaus.
31
Das verfallene Holzhaus wirkte verlassen. Schnee bedeckte den Weg auf dem Hof. Es sah so aus, als wäre seit langem niemand in der Hütte gewesen. Bis zur Straße waren es nur dreihundert Meter, aber ein Fichtenwäldchen mit einer Schneeglasur verdeckte die Sicht auf das Haus. Das nächste bewohnte Gehöft lag kilometerweit entfernt.
Simo Tommilas Fuß- und Handgelenke waren mit dicken Lederriemen an den Beinen und Armlehnen eines antiken Stuhls festgebunden. In der Lehne des mit Ornamenten verzierten massiven Eichenstuhls befanden sich in Kopfhöhe zwei dekorative Löcher, durch die ein breiter Lederriemen gezogen war, der den Kopf des Gefangenen an den Stuhl presste. Über seine Hüften spannte sich ein Gürtel mit einer Metallschnalle. Der Gefangene hatte nichts weiter an als seine Unterhosen, die einmal weiß gewesen sein mussten.
Im Keller war es feucht und kalt. Ein Stück von einem schwarzen Müllsack verdeckte das einzige Fenster, und die nackte orangefarbene Glühbirne verbreitete nicht viel Licht. Tommila schnaufte, der Wind heulte, und in einer Ecke des Kellers surrte ein Computer.
Igor Sterligow saß einen Meter vor seinem Gefangenen auf einem Hocker und wartete darauf, dass der junge Mannwieder zu sich kam. Es war seinen Helfern gelungen, Tommila so zu kidnappen, dass die SUPO nicht sicher sein konnte, ob der junge Mann entführt worden oder freiwillig verschwunden war. Zum Glück hatte es Swerdlowsk leichter, in Helsinki zu operieren als Guoanbu. Die SUPO kannte alle Agenten der Chinesen in Helsinki, aber kein einziges Mitglied der Aufklärungsabteilung von Swerdlowsk.
Sterligow holte aus der Tasche seines mit Schaffell gefütterten Ledermantels eine silberne Dose, schüttelte zwei Pillen auf seine Hand und steckte sie in den Mund. Die Tabletten blieben ihm im Hals
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