Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
sie im Scherz.
Ratamo beschloss, Riitta zu bitten, wieder mit ihm essen zu gehen, sobald der »Hund« gefunden war.
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Die nackte Gestalt in der trostlosen Einsamkeit des schaurigen orangefarbenen Kellers schrie auf. Der brennende Schmerz durchfuhr Tommilas Körper und wurde jedes Mal schlimmer, wenn er seine Nackenmuskeln anspannte. Entweder ließ die Wirkung der Pillen des Geiers nach oder die Anstrengung führte dazu, dass der Schmerz den Wall der Medikamente durchbrach. Es stank so widerwärtig nach Erbrochenem und Urin, dass er durch den Mund atmen musste.
Er hatte den Kopf schon so lange ruckartig hin und her bewegt, dass die Hals- und Nackenmuskeln ganz steif geworden waren. Aber die Mühe hatte sich gelohnt, der dicke Stirnriemen war etwas lockerer geworden, er konnte die Stirn schon runzeln. Die Angst, dass der Zehenstumpf und die vom Strom verbrannte Leistengegend nicht seine einzigen verletzten Körperteile bleiben würden, ließ ihn noch heftiger an den Fesseln zerren. Wenn er brav in der Kellerhölle auf die Rückkehr des Wahnsinnigen wartete, könnte schon bald Moos über ihm wachsen. Er wusste genau, was er tun musste. Im Geist hatte er schon alle Probleme gelöst.
Von der Anstrengung auf dem Folterstuhl war Tommila schweißnass. Das orangefarbene Licht machte ihn verrückt. Die Wunde im Augenwinkel brannte, und der Fuß pochte. Schließlich gab der feucht gewordene Lederriemen so weit nach, dass er seinen Kopf nach unten drücken konnte. Ein paarHaare gerieten unter den Riemen. Er ruckte weiter, und nun rutschte der Riemen über den Haaransatz, noch ein paar schnelle Bewegungen, und sein Kopf war frei. Es kam ihm so vor, als hätte er gerade den Boston-Marathon gewonnen.
Er holte ein paarmal tief Luft, atmete dann gründlich aus und beugte sich vor zu seiner rechten Hand. Mit Mühe und Not reichte er so weit, dass er in den Riemen am Handgelenk beißen konnte. Das dicke Leder schmeckte ekelhaft, aber er nagte an ihm, als wäre es ein Leckerbissen. Er befeuchtete den Riemen mit Spucke und kaute mit den Eckzähnen auf dem Rand herum, bis seine Wangenmuskeln verkrampften. Die Anstrengung führte dazu, dass der Zehenstumpf und die verbrannte Haut pulsierende Schmerzwellen durch den ganzen Körper jagten. Er machte eine kurze Pause und atmete tief durch, doch dann ließ ihn die Angst noch ungestümer an dem Leder nagen. Nach Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen, entstand am Rand des Riemens ein Riss, den er Millimeter für Millimeter vergrößerte, bis er den Riemen durchtrennt hatte. Als eine Hand frei war, fiel es leicht, die restlichen Riemen zu öffnen.
Er stand auf und wäre um ein Haar in Ohnmacht gefallen. Es dauerte eine Weile, bis das Blut in den Kopf zurückkehrte. Er spuckte auf den Handteller und bestrich die verbrannte Haut mit Speichel. Ein schneidender Schmerz schoss durch seinen Körper. Er setzte sich auf den Hocker des Geiers, holte tief Luft und zwang sich, klar zu denken.
Tommila stieg vorsichtig die Treppe hinauf, humpelte in die Küche und sah den Wasserhahn. Er hielt den Kopf darunter und trank gierig. Das Wasser belebte ihn ein wenig. Ihm fiel ein, wie 7 UP zu seinem Namen gekommen war: Die ursprüngliche Limonadenflasche fasste sieben Unzen, und die Blasen in dem Getränk stiegen nach oben. Er säuberte sich, sogut es ging, und zitterte vor Kälte. Hier oben war es noch eisiger als im Keller. Die Hütte sah so aus, als könnte sie jeden Augenblick zusammenfallen. Die Decke war gewellt, die Tapeten zogen Blasen, und die Dielen des Fußbodens ragten in alle möglichen Richtungen. Bei dieser Bruchbude half nur noch der Bulldozer.
Der eiskalte Fußboden betäubte seine Fußsohlen, als er zur Haustür hinkte. Kleidungsstücke oder Schuhe hatte er nirgendwo gefunden. Die schneidende Kälte der Luft traf seinen nackten Körper, als er die Tür öffnete. Der Geier hatte behauptet, sie seien kilometerweit vom nächsten bewohnten Haus entfernt. Tiefe Dunkelheit, hoher Schnee und dichter Wald umgaben die Hütte. In der Ferne leuchtete ein mattes Licht. Er sah nicht eine Landmarke, die er der Polizei mitteilen könnte. Wenn er jetzt losging, würde er das nie überstehen, sondern im Schnee erfrieren. Eine instinktive Reaktion hätte ihn beinahe dazu getrieben, Hals über Kopf in die Dunkelheit hinauszurennen, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen. Er wusste, dass er dieser Hölle nur mit Hilfe seines Verstandes lebend entrinnen konnte.
Tommila humpelte zurück in den
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