Finnisches Quartett
Vertrauen ihres Opfers zu gewinnen und setzen alles daran, nicht gefaßt zu werden, obwohl viele von ihnen im Unterbewußtsein das Bedürfnis haben, verhaftet zu werden, damit sie gestehen können. Die Psychopathen sind in der Regel intelligenter als der Durchschnitt, handeln planvoll und systematisch, sind klug und führen geschickt ein geheimes Doppelleben.«
»Könnte sich O’Donnell auf irgendeine krankhafte Weise in Ulrike Berger verlieben?« fragte Ratamo.
»Wohl kaum. Den Psychopathen fehlen die Gefühle normaler Menschen, sie sind nicht fähig zu lieben, und männliche Psychopathen haben selten überhaupt Beziehungen mit Frauen. Die emotionalen Reaktionen eines Psychopathen, die wie Liebe, Reue oder Trauer aussehen, sollen andere Menschen manipulieren. Es sind keine echten Gefühle, sondern sie entstehen aus den eigenen Bedürfnissen des Psychopathen. Der Psychopath hält auch Menschen für Gegenstände, somit ist O’Donnells Übergang von der Brandstiftung zum Töten von Menschen wahrscheinlich ein viel kleinerer Schritt gewesen, als Sie sich vorstellen können. Und bedauerlicherweise empfinden sie keine Reue, nicht einmal für ihre brutalsten Taten. Ihnen fehlt das Schuldgefühl – sie haben kein Gewissen«, dozierte Bruijn.
»Wie können wir all diese … Informationen nutzen?« Timmerman fuhr sich durch den Bart und sah aus, als hätte er sich verirrt.
»Um die Straftaten aufzuklären, müssen Sie versuchen, Ezrael, den Engel des Zorns, zu verstehen und nicht Eamon O’Donnell«, antwortete Bruijn und sah so aus, als hätte er Selbstverständlichkeiten wiederholt.
»Das dürfte etwas schwierig sein«, stellte Timmerman kühl fest.
»Verstehen bedeutet nicht akzeptieren.« Bruijns Stimme wurde lauter.
Ratamo erinnerte sich, wie Timmerman die Wohnung von O’Donnell beschrieben hatte. »Wie hängt der Glauben mit alldem zusammen? Gemälde von Engeln, Kerzen, Kruzifixe, ein Altar und diese …«
»Illusionen in Verbindung mit religiösem Größenwahn sind bei Psychopathen sehr häufig, sie können mit Gott, Satan oder einem selbsterfundenen Glauben zusammenhängen«, erklärte Bruijn.
»Und der Kamelhaarumhang?« fragte Ratamo verwundert.
»Auch der hängt mit O’Donnells religiösen Phantasien zusammen, er ahmt damit Johannes den Täufer nach. Bekleidungsrituale sind nicht selten: In den USA kleidete sich Robert Wayne Gacy als Clown, und der als ›Zodiac‹ bezeichnete, immer noch frei herumlaufende Serienmörder verwendete unterschiedliche phantasievolle Hinrichtungskleider. Ein Patient wollte nach seiner Verhaftung als Indianer auftreten und legte sich selbst eine Kriegsbemalung an, aus seinen eigenen Exkrementen.«
Diese letzte Information war für Timmerman zuviel. »Gewichte an die Beine, und ab in die Nordsee«, murmelte er.
Bruijn schien wegen des Kommentars enttäuscht zu sein. »Ein gesunder Mensch ist nicht fähig, sich eine abartige Tat auszudenken, die ein Serienmörder nicht zehnmal besser ausführen würde. Also zehnmal schlimmer … Oder was würden Sie von Herbert Mullins Motiv halten, der dreizehn Menschen umgebracht hatte: Er glaubte, mit seinen Morden Erdbeben und Sturmfluten zu verhindern.«
Die Polizisten diskutierten mit Bruijn noch darüber, wie sie die Informationen bei der Suche nach O’Donnell verwenden könnten. Schließlich erlaubte Timmerman dem Psychologen, der es eilig hatte, zu gehen.
»Noch ein Wort als Warnung«, sagte Bruijn an der Tür. »O’Donnell oder genauer gesagt dieser Engel des Zorns Ezrael ist ein Beutejäger. Und die wissen alle sehr genau, wie man dem Feind auflauert. Und der Mensch ist von allen Beutejägern der am höchsten entwickelte.«
Nachdem Bruijn gegangen war, lag in dem Raum eine bedrückende Stille. Ratamo schien es so, als wüßte das Böse, daß man über seine Taten redete.
Ein Ermittler riß die Tür auf und kam hereingestürzt, mit einem Redeschwall in niederländisch rüttelte er seine Kollegen wach und holte sie zurück in die Realität der Ermittlungen.
»Wieder eine neue Wendung. Wir haben eine E-Mail erhalten, in der behauptet wird, daß John Dexter aus dem US-Energieministerium der Initiator des Konsortiums ist. Unterschrieben ist die Nachricht von ›Seraphim‹; der Computer, von dem die Nachricht abgeschickt wurde, wird gesucht, aber nach ersten Untersuchungen erscheint die Nachricht glaubhaft. Wir haben schon die Bestätigung, daß die in der Denunziation erwähnten Beratungen von Dexter und van der Waal
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