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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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abgeleckt und lachend wieder zurückgelegt hatte.
    Katta hasste sie. Einmal hatte sie Katta gezwungen, einen vollen Topf ohne schützendes Tuch vom Feuer zu nehmen, nur weil Katta beim Gänserupfen zu langsam gewesen war. Sie hatte immer noch die Brandnarben an den Fingern.
    Ein Tablett mit Frühstück war zum Wegbringen fertig gemacht worden. Ein Topf mit heißem Kaffee stand darauf, auf einem Teller lagen mehrere Bratenscheiben, Butter und Brot.
    »Bring das nach oben«, sagte die Köchin und wischte sich die Hände an ihrer schmutzigen Schürze ab. »Für den alten Mann, ganz am Ende über dem Bogen.«
    Katta gehorchte. Sie stieg mit dem Tablett wieder die Treppe hinauf, doch oben angelangt, blieb sie stehen. Auf der einen Seite ging es zum Zimmer des alten Manne s – sie wusste, wen die Köchin gemeint hatte. Er wohnte bereits seit drei Tagen hier und bekam das Frühstück immer aufs Zimmer. Auf der anderen Seite ging es zu dem Zimmer, zu dem sie den Jungen geführt hatte. Obwohl sie nicht hätte sagen können, weshalb, drehte sie sich plötzlich um und ging auf der anderen Seite den Flur hinunter. Sie wollte sich vergewissern, ob mit dem fremden Jungen alles in Ordnung war. In geschlossenen Räumen können schlimme Dinge geschehe n – das hatte sie schon am eigenen Leib erfahren. Aber so weit dachte sie gar nicht, sie handelte nach einer Eingebung. Sie wusste sogar schon, was sie sagen würde: dass sie das Frühstück aus Versehen ins falsche Zimmer gebracht hätte. Sie würde sich nur davon überzeugen, dass es dem Jungen gut ging und ihr würde nichts passieren.
    Aber so kam es nicht.
    Sie klopfte an und stieß gleich die Tür mit dem Tablett auf, alles in einem Schwung. Der große Mann mit dem Mondgesicht stand in seiner schwarzseidenen Weste und dem weißen Hemd mit dem Rücken zu ihr. Der kleine Kutsche r – sie hatte ihn nur ein Mal gesehe n – hielt den Jungen am Kragen zum offenen Fenster hinaus und schüttelte ihn wie eine Ratte. Der Junge trat um sich und rang nach Atem. Sein Gesicht war blau angelaufen.
    Im selben Moment, in dem sie begriff, was da vor sich ging, hörte der Mann mit der Weste, dass die Tür geöffnet wurde, und wirbelte herum. Katta schrie und ließ das Tablett los, das mit lautem Klirren zu Boden fiel. Der Kutscher wandte Katta sein Gesicht zu und öffnete langsam und mit Bedacht die Hand, mit der er den Jungen hielt. Sein Opfer griff verzweifelt nach dem Fensterbrett, verfehlte es und war im selben Moment aus Kattas Blickfeld verschwunden.

Die gestapelten Fässer
    Mathias verspürte Ruhe und seltsamerweise auch Wärme, so als läge er unter einer schweren Decke. Er spürte ein Gewicht auf seiner Brust. Es drückte ihn so sehr, dass er sich nicht rühren konnte. Langsam dämmerte ihm, dass etwas mit ihm geschehen war, aber er wusste nicht, was. Wusste es nicht, bis der Schmerz einsetzte. Da öffnete er die Augen, und die Welt war plötzlich kalt und spitz und har t – und er bekam keine Luft. Er lag mit dem Rücken auf dem gefrorenen Boden, blickte hinauf in den blauen Morgenhimmel und zu einem offenen Fenster hoch über sich. Er sah einen Kopf, der sich herausbeugte und wieder verschwand. In diesem Augenblick kamen seine Erinnerungen zurück. Wie Bildkarten lagen sie vor ihm.
    Doktor Häller. Die Puppe. Der Zwerg.
    Er wusste, dass er aufstehen und schleunigst fliehen musste. Die Atemluft war bis auf den letzten Hauch mit einem Schlag aus ihm herausgepresst worden, als er am Boden aufgekommen war. Jetzt schrie seine Lunge nach Luft, aber seine Brust wollte sich einfach nicht heben und senken wie früher. Er nippte nur an der Luft, sog sie in winzigen Schlückchen ein. Er drehte sich auf die Seite und begann zu kriechen. Er spürte, wie in seiner Brust Knochen an Knochen schabte, und wusste, dass dort etwas gebrochen war. Aber mit Kriechen kam er nicht schnell genug voran. Er wusste, dass er aufstehen und losrennen musste. Er hievte sich auf die Knie und schrie auf vor Schmerz. Dann versuchte er, vornübergebeugt und schwankend, ein Versteck zu finden. Falls sie ihn schnappten, war die Sache ganz einfac h – sie würden ihn umbringen.
    Schwindelig vor Schmerz blickte er auf die verschwimmende Welt um sich herum und bemühte sich, sie zu erfassen. Er war auf der Rückseite des Gasthauses aus einem Fenster geworfen worden. Ein Wunder, dass er den Sturz überlebt hatte. Nur dem Dreck und dem Stroh auf dem Boden verdankte er sein Leben. Es gab eine alte Scheune, deren Tür schief

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