Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
freundlich. »Ich werde mich neben die Tür setzen.« Sie zog eine Rockfalte beiseite und enthüllte damit einen clever versteckten Dolch. »In der Taverne war es das Beste, einen Dolch bei sich zu haben, für den Fall, dass ein Betrunkener ein Nein nicht versteht. Ich habe diese Gewohnheit nie abgelegt.«
Erschöpft beschwerte Kiara sich nicht, als Cerise die Decken zurückzog und sie wieder über ihr feststeckte. Sie sehnte sich nach den liebgewordenen Gewohnheiten ihrer Kindheit. Am Fuß- und am Kopfende des Bettes befanden sich wie versprochen zwei flache Schüsseln mit Wasser. Cerise strich Kiara wie einem kleinen Kind das Haar aus der Stirn. »Ich kann dir helfen zu schlafen, wenn du das möchtest.«
»Ja bitte, ich bin zu müde, mich zu bewegen, aber mein Verstand rast nach allem, was geschehen ist.«
Cerise legte eine Hand auf Kiaras Stirn und Kiara fühlte, wie die Magie der Heilerin ihren Körper entspannte. Sie fiel schneller in tiefen Schlaf, als sie gehofft hatte.
Kiaras Träume waren düster. Sie war allein auf einer leeren Ebene, einem Ort voller Schatten, der von einem abnehmenden Mond angeleuchtet wurde. Die Nacht war unnatürlich still. Kein Wind rauschte in den nackten Zweigen der Bäume, und keine Wesen waren in der Dunkelheit zu hören.
Kiara duckte sich hinter einen Felsvorsprung. Etwas suchte nach ihr, nach der warmen Präsenz, die sie in sich trug. Kiara konnte etwas Dunkles, Unsichtbares spüren, das beinahe nahe genug war, um es zu berühren. Es suchte nicht nach ihr. Es suchte nach dem Kind in ihr, dem Kind des Seelenrufers.
Es gab keinen Ort, an den sie flüchten konnte, kein sicheres Versteck. Instinktiv rollte Kiara sich zusammen und schlang die Arme um ihre Knie, um das Kind in ihrem Bauch zu schützen, als die Gefahr immer näher rückte. In der Ferne hörte sie Hundebellen. Dunkelheit umgab sie. Es stemmte sich gegen ihren Verstand, wie der Obsidiankönig seinerzeit versucht hatte, durch ihre mentalen Schilde zu brechen. Das Amulett, das sie um den Hals trug, gleißte auf einmal auf und Kiara fühlte, wie der Schatten sich zurückzog.
In der Ferne hörte Kiara jetzt den Klang einer Flöte, die eine wilde Melodie spielte. Es klang, als käme ein Sturm heran. Nebelschwaden begannen aufzusteigen und herumzuwirbeln, hier auf den Ebenen der Geister, und im Nebel sah sie Gesichter und Formen. Die Geister wirbelten um sie herum und entzogen, angetrieben von der Musik, dem glühenden Amulett Energie. Die Geister bekamen Substanz und auch wenn Kiara keine von Tris’ Kräften als Seelenrufer besaß, konnte sie die Kraft spüren, die wie Blitze um sie herum zuckte. Die Stimmung der Geister entsprach der Grimmigkeit der Musik, aber Kiara spürte keine Bedrohung durch sie. Stattdessen formten sie einen Schutzwall zwischen Kiara und dem Schatten, selbst als die Finsternis drohte, sie zu überwältigen.
Sie warf alle Energie in ihre Schutzschilde, wohl wissend, dass sie nicht ewig halten konnten, und auf der leeren Ebene konnte sie das Echo ihrer eigenen Schreie hören –
»Kiara!«
Kiara schreckte mit pochendem Herzen und schweißnass auf. Es brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass Cerise und Ally über ihr standen. Die drei Hunde standen am Fuß des Bettes, ihre Lefzen hochgezogen, die Zähne gefletscht. Am anderen Ende des Raums ließ Macaria mit großen und angstvollen Augen ihre Flöte sinken.
»Was ist passiert?«
»Seanna hat uns geweckt«, sagte Ally. »Sie hat mir die Decke weggerissen, damit ich aufwache. Das hat sie auch bei Cerise getan. Sie wusste, dass etwas nicht stimmt.« Seannas Geist war schwach am Fußende von Kiaras Bett sichtbar, gleich neben der Wasserschüssel. Plötzlich begann die Schüssel zu schwanken und das Wasser darin schwappte über. Alle sahen verwirrt auf den Geist. »Was ist los?«
Allys Augen verengten sich und sie tauchte einen Finger ins Wasser. Sie schnupperte vorsichtig an der Flüssigkeit auf ihrem Finger. »Wer auch immer die Kuchen für Malae gebracht hat, hat noch eine Überraschung hinterlassen. Jemand hat das Salzwasser in der Schüssel gegen normales Wasser ausgetauscht. Es ist nutzlos.« Sie sah Kiara an. »Was ist passiert?«
Kiara rief sich den Angriff ins Gedächtnis zurück und sah auf Macaria. »Ich habe dein Spiel gehört, nicht wahr? Um die Geister zu rufen.«
Macaria nickte. »Ich wusste nicht, was geschieht, aber ich konnte die schlechte Magie spüren. Carroway hat mir gesagt, dass die Geister von Shekerishet dich
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