Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
beschützen. Ich dachte, wenn ich sie rufe, dann wissen sie schon, was zu tun ist.«
Kiara lächelte dankbar. »Das taten sie. Ich danke dir.«
Cerise fiel auf die Knie und streckte die Hand unter Kiaras Bett. Sie setzte sich auf und hielt ein gefaltetes Pergament in der Hand. »Gib mir deinen Dolch«, sagte sie zu Ally, die ihr die Waffe gab. Cerise legte das Pergament auf den Boden. Es war auf eine komplizierte Art und Weise gefaltet, mit rotem Band verschnürt und mit einem Wachssiegel versehen, das sich beim Betrachten veränderte. Leise murmelte Cerise einige Worte, dann nahm sie den Dolch in beide Hände und stach mit aller Kraft durch die Mitte des Pergaments. Die Spitze des Dolchs fuhr durch das Päckchen und ein Schrei entfuhr dem Pergament selbst, das sich aufrollte, als würde es von unsichtbaren Flammen verzehrt. Die Tür zum Flur sprang auf und die Wachen stürmten herein.
»My Lady, seid Ihr in Ordnung?«
Kiara holte tief Luft und nickte. Cerise und Ally versteckten schnell den Dolch und das Pergament vor dem Blick der Wachen. »Ich hatte nur schlechte Träume«, sagte Kiara. »Ich danke euch.«
Keiner sprach, bis sich die Tür hinter den Wachen geschlossen hatte.
»Was zur Hölle war das?«, fragte Ally. Cerise nahm mit der Spitze des Dolchs sorgfältig die Überreste des Pergaments auf und trug sie hinüber zum Kamin. Während alles brannte und sich in den Flammen kräuselte, konnte man Stimmen hören, die in einer fremden Sprache raunten.
»Blutmagie«, sagte Cerise und reinigte die Klinge in den Flammen, bevor sie Ally den Dolch zurückgab. »Jemand hat den Schutz der Schüsseln durchbrochen und hat diesen Zauber unter dem Bett versteckt. Sag mir noch einmal, was du geträumt hast.«
Kiara unterdrückte ein Schaudern. »Es war nur eine dunkle Ebene, wie ein Moor oder ein Sumpf. Etwas suchte nach mir – nach uns«, verbesserte sie sich und ihre Hand legte sich unwillkürlich auf ihren Bauch. »Es wollte nicht mich. Es wollte das Kind, seinen Geist.«
»Die alten Frauen in den Bergdörfern erzählen sich Geschichten über dimonns . Wenn ein Kind in der Wiege stirbt, sagen sie, dass dimonns seine Seele geholt haben. Hat Tris je davon gesprochen, was er auf den Ebenen der Geister gesehen hat?«
»Meist sieht er die Seelen der Toten. Aber ein paar Mal hat er auch etwas anderes gesehen, etwas, was ihn so aufgewühlt hat, dass er nicht darüber sprechen wollte.«
»Heiler bewegen sich nahe den Ebenen der Geister, auch wenn wir sie anders sehen als ein Seelenrufer. Aber wir können die Lebenskraft spüren und wir wissen, wann sie schwankt. Ich bin aufgewacht, kurz bevor die Hunde angefangen haben zu bellen. Hunde können Geister sehen und Böses spüren. Ihr habt am ganzen Körper gebebt, Eure Augen waren geöffnet, aber sie haben nichts gesehen und dann ist Euer Körper steif geworden. Ich konnte spüren, wie etwas Eure Lebenskraft aufgesaugt hat, wie ein Kerzenlöscher auf der Flamme. Ich habe einen Zauberspruch gegen die Finsternis aufgesagt und Ihr seid aufgewacht.«
»Was tun wir jetzt? Ich bin im Schlaf nicht sicherer als wach. Wie lange kann ich etwas bekämpfen, was ich nicht sehe?
Cerise nahm Kiaras Hand. »Morgen werden wir nach einer der Schwestern rufen, um Eure Räume zu säubern. Der blutmagische Zauber hat das Tor zu den Ebenen der Geister geöffnet. Wir müssen es schließen. Dann werden wir neue Zauber und Schutzkreise setzen. Einer von uns wird immer hier im Zimmer bleiben, um sicherzugehen, dass nichts mehr geändert wird.«
Jetzt, wo der Schrecken sich verflüchtigt hatte, fühlte sich Kiara völlig erschöpft. Cerise zog einen Stuhl neben Kiaras Bett und nahm ihr eine Decke von der Brust. Ally ging zu ihrem Lager neben der Tür zurück und die Hunde verließen ihren Platz am Kamin, um sich neben Kiaras Bett zu legen. Macaria weigerte sich zu gehen und machte es sich auf einem Sessel neben dem Feuer bequem. Immer noch ganz taub vor Trauer über Malaes Tod und erschöpft von ihrem Kampf mit dem dimonn , schlief Kiara ein.
***
»Warum haben sie denn Bian weggeholt?« Im Übungsraum der Barden ging Macaria unruhig auf und ab und strich sich immer wieder nervös über die dunklen Haare. »Wie konnte man denn Bian verdächtigen?«
Carroway schüttelte den Kopf. Die Wachen hatten Bian auf Crevans Befehl hin aus der Küche entfernt. Die Gerüchte darüber, dass schlechtes Essen Malaes plötzlichen Tod verschuldet hatte, war schnell in düstere Verdächtigungen umgeschlagen, und
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