Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
Leiche eines Mannes in einem See von Blut, die Kehle aufgerissen, mit starren, blicklosen Augen. Hinter Kiara schrie eine Frau.
Die Wachen bildeten einen engen Kreis um Kiara und Tov Harrtuck bahnte sich einen Weg durch die Menge. Hinter ihm kamen noch mehr Wachen. Crevan kam von der anderen Seite des Raums gelaufen.
»Eure Majestät, es ist nicht sicher –«
»Es ist nirgendwo sicher«, erwiderte Kiara. »Was ist passiert?« Hinter ihnen versuchten die Soldaten, die Menge zu zerstreuen, aber die Feiernden drängten nach vorn und versuchten, einen Blick auf die Leiche am Boden zu erhaschen.
»Sie haben eine zweite Leiche im hinteren Korridor gefunden«, sagte Harrtuck. »Sie und diese hier weisen alle Zeichen eines Vayash-Moru-Mordes auf.«
»Das ist unmöglich«, sagte Kiara. »Heute Nacht waren keine Vayash Moru hier.«
»Nur Mikhail, aber den hat niemand gesehen«, sagte Crevan.
»Das ist unmöglich«, sagte Kiara wieder. Sie hörte Stiefelschritte, die den Korridor hinunterkamen. Hinter Harrtuck marschierten sechs Soldaten in enger Formation und Kiara konnte die dunkelhaarige Figur in ihrer Mitte sehen.
»Wir haben ihn im Zimmer des Zahlmeisters gefunden, Hauptmann«, meldete einer der Soldaten.
»Natürlich war ich im Zimmer des Zahlmeisters«, meinte Mikhail. »Dort war ich die ganze Nacht und habe an den Büchern gearbeitet. Würde mir bitte jemand sagen, was vor sich geht?«
Crevan zögerte. »Wir haben zwei Tote gefunden – ihnen wurde die Kehle herausgerissen.«
Die Soldaten traten beiseite und Kiara sah Mikhail an. Wir wissen beide, dass er leicht entkommen könnte. Die Soldaten sind nur sterblich. Aber wenn er das tut, dann gibt er seine Schuld zu. Das Abkommen wird gebrochen werden und es wird Verfolgungen geben. Aber wenn er bleibt, wird ihm irgendjemand glauben, nach der Angst, die Jared geschürt hat?
»Ich habe das Büro des Zahlmeisters seit der sechsten Stunde nicht verlassen. Ich würde so etwas nicht tun – ich habe dafür gekämpft, das Abkommen zwischen meiner Art und den Sterblichen einzuhalten. Wer auch immer das getan hat, gehört nicht zu Lord Gabriels Familie.«
»Es wird schwer sein, das zu beweisen«, sagte Harrtuck. »Soweit wir wissen, bist du heute Nacht der einzige Vayash Moru in Shekerishet gewesen.«
Crevan starrte auf die Leiche und schüttelte den Kopf. »Wir hatten Schwierigkeiten, genug Bedienstete für das Schloss zu finden. Wenn das bekannt wird …«
»Wenn das bekannt wird, habt Ihr einen Aufstand hier«, meinte Harrtuck grimmig. »Und einen Mob, der hinter Mikhail her ist.«
Eilige Schritte erklangen hinter Kiara. Sie wandte sich um und sah noch einen Wachsoldaten. »Hauptmann Harrtuck! Wir haben noch eine Leiche gefunden, in den Ställen – genauso zugerichtet wie die anderen.«
»Ich habe keine Wahl«, sagte Crevan. »Ein Tribunal muss einberufen werden.«
Am Eingang hatte sich bereits eine Menschenmenge gebildet. Erschrockenes Aufkeuchen beim Anblick des Toten war bereits einem stetigen Murmeln gewichen. »Gebt uns den Beißer!«, rief ein Mann vom Eingang her. Andere Stimmen nahmen den Ruf auf. »Verbrennt ihn!«
Kiara starrte auf den Himmel, der durch die offenen Türen zu sehen war. Es war kurz vor Sonnenaufgang und wenn die Sonne erst einmal aufgegangen war, würde Mikhail verwundbar sein. Und obwohl ein Vayash Moru sich gegen einen menschlichen Gegner mehr als behaupten konnte, würde ein Mob von mehreren hundert Mikhail sicher überwältigen können. Wenn sie ihn nach Tagesanbruch hinaus in den Hof zerrten, würde die Wintersonne sein Henker sein.
»Es gibt einen anderen Weg«, sagte Kiara. Sie trat vor und schob die Wachen beiseite. Sie hob ihre Stimme, um die Menschen zu übertönen. »Haltet Mikhail fest, bis König Martris wieder hier ist. Dann lasst den König die Geister der Ermordeten rufen. Lasst die Opfer die Zeugen sein. Ihr habt den Hof der Geister gesehen. Ihr wisst, dass der König das tun kann. Das Urteil hat keine Eile.«
»Lasst den König entscheiden!« Eine Stimme erklang in der Menge und Kiara erkannte Helki. »Übergebt ihn König Martris, damit er ein Urteil spricht!«, rief eine Frau und Kiara war sicher, dass es sich um Macaria handelte. Einen Moment später hörte Kiara eine Flöte im Hof spielen. Die Melodie war sanft und beruhigend und Kiara spürte, dass die Musik von Macarias Magie erfüllt war und versuchte, die Menge von Rachegedanken zu befreien.
»Wenn das bekannt wird, bin ich vielleicht nicht in der Lage,
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