Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
umarmte Carroway und küsste ihn auf beide Wangen, dann nahm sie seinen Arm und tätschelte seine Hand.
»Also habe ich es endlich geschafft, dass du einer alten Dame den Abend versüßt.«
»In der letzten Zeit haben mich meine Vorbereitungen für die königliche Hochzeit mehr Zeit gekostet als meine Übungen auf der Laute.«
»Nun, wie auch immer, ich bin eine hingebungsvolle Zuhörerin für alles, was du mir vorzutragen wünschst«, lachte Eadoin. »Nur bitte lass mich die Erste sein, die es erfährt!«
Carroway konnte sich die Wirkung vorstellen, die Eadoin zu ihrer Glanzzeit auf junge Männer ausgeübt hatte. Sie lachte. »Wenn ich vierzig Jahre jünger wäre, wäre ich ganz sicher eine von den jungen Frauen, die sich um deine Aufmerksamkeit schlagen würden!«
»Und wenn ich Eurer Aufmerksamkeit würdig wäre, dann würde ich mich duellieren, um Eure Hand zu erringen«, erwiderte Carroway mit einem Zwinkern. Wahrscheinlich könnte ich jedes Mädchen im Schloss in mein Bett bekommen , die ich nur will , dachte er , außer der einen, die ich wirklich haben will .
Ein Lakai drückte Carroway einen Becher mit Brandy in die Hand. Heute Abend würde er offensichtlich vor einem Publikum spielen, das nur aus einer Person bestand. »Was soll ich für meine Lady spielen und wie kommt es, dass Brightmoor heute Abend so still ist?«
»Bitte spiel ›Mit dir werd ich tanzen auf dem Ball‹«, bat Eadoin. »Und was Brightmoor angeht und dass es so still ist … Heute Abend ist der Todestag meines Gatten. Ich habe ihn sonst immer mit Unternehmungen verbracht, damit ich die Leere nicht spüre, die sein Tod hinterlassen hat.« Sie seufzte. »Vielleicht kann ich meinen Geistern nicht mehr länger davonlaufen. Jeder Musiker ist auf seine Art ein Seelenrufer, wusstest du das, Riordan?« Sie ließ sich auf den Kissen nieder. »Spiel bitte für mich. Wenn ich meine Augen schließe, dann bin ich in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort.«
Er begann mit der Ballade, nach der sie verlangt hatte, eine in ihrer Generation beliebte Weise. Als er geendet hatte, klatschte Eadoin begeistert in die Hände. »Und jetzt, bitte, ein paar der älteren Tänze, wenn du so nett bist.«
Carroway spielte eine muntere Tanzmelodie nach der anderen und hörte erst auf, als der Haushofmeister ankündigte, dass das Dinner aufgetragen war, und als seine Finger schmerzten. »Bravo, bravo!«, rief Eadoin. »Das war genau das, was ich jetzt gebraucht habe. Ich hoffe, das Dinner wird dich für deinen Einsatz entschädigen.«
Kerzen und Fackeln brannten hell und erleuchteten den Raum wie für einen Ball. Das Menü, das vor ihnen aufgetragen worden war, wäre selbst eines Königs würdig gewesen.
»Meine Herrin, Ihr seid zu großzügig.«
»Überhaupt nicht«, sagte sie. »Du hast heute den Heiler für mich gegeben und ich stehe in deiner Schuld.« Sie sah ihn für einen Augenblick an und legte den Kopf schief, als würde sie sich an etwas erinnern. »Ich sehe die Augen deiner Mutter, wenn ich dich ansehe, Riordan«, meinte sie. »Und die Gestalt deines Vaters. Sie wären so stolz auf dich. Margolans Meisterbarde, Vertrauter des Königs – und ein Held und Abenteurer.«
»Ich hatte Abenteuer genug für ein Leben«, gestand Carroway. »Aber manchmal wünsche ich mir, dass meine Eltern hätten sehen können, was ich aus mir gemacht habe.«
»Es war der Wille der Lady selbst, dass du als Mündel an des Königs Hof kamst, sonst wärest du selbst der Pest zum Opfer gefallen.« Ein trauriges Lächeln spielte um Eadoins Mundwinkel. »Deine Erinnerungen sind wirklich sehr auf dich gerichtet für jemanden, der so jung ist. Ich frage mich, ob der Vertraute des Königs je einen Gefallen von seinem Freund erbeten hat? Jeden Tag hält der König Hof für die Geister seines ganzen Reiches. Würde er das nicht auch für dich tun?«
»Ich habe ihn nicht gefragt, M’Lady.«
Eadoin langte über den Tisch und tätschelte seine Hand. Die papierdünne Haut zog um die Finger herum Falten wie bei einem Vogel und zeigte die dünnen Venen des Alters darunter. »Warte nicht, bis du so alt bist wie ich, bis du deinen Geistern Ruhe gibst. Und jetzt iss. Wer so wundervolle Musik macht, sollte gut essen.«
Eadoins Diener drängten ihm das Essen auf, bis er stöhnend abwinkte. Dann brachte ihr Haushofmeister feinen Sherry und alten Portwein herein, Carroway konnte nicht ablehnen. Im Kamin am anderen Ende der großen Banketthalle loderten knisternd die
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