Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
aufzuheben.« Der König kam einen Schritt auf Jonmarc zu und seine dunklen Augen brannten. »Lasst mich eines unmissverständlich klarmachen. Ich vertraue Carina Eurer Obhut an. Wenn sie in irgendeiner Weise entehrt wird, werde ich persönlich eine Belohnung aussetzen, die Euch jeden Kopfgeldjäger in den Winterkönigreichen auf den Hals hetzt. Habt Ihr verstanden?«
»Vollständig, Eure Majestät.«
Genauso schnell, wie er ernst geworden war, breitete sich jetzt ein Lächeln auf Donelans Gesicht aus. »Sehr gut, dann ist das erledigt. Und jetzt – ich höre, Ihr habt eine Schwäche für Rum vom Fluss. Wie wäre es mit einem Schluck?«
Kiara wartete in ihrem Raum und sah aus dem zweiflügligen Fenster auf die Freudenfeuer, die im Hof brannten. Jae saß auf ihrer Schulter. Sie streichelte den kleinen Gyregon abwesend und tief in Gedanken. So viel hatte sich geändert, seit sie und die anderen in diesen Mauern gegen Jared und Arontala gekämpft hatten. Kiara hörte auf die Glocken, die gerade die neunte Stunde anschlugen. Sie wartete auf Donelan, der sie zu einem weiteren Fest zu ihren Ehren eskortieren sollte. Carroway hatte sich vor Stolz über die ganzen Festlichkeiten in die Brust geworfen, der Ball würde bis tief in die Nacht hinein andauern.
Ein Klopfen an ihrer Tür holte sie aus ihren Gedanken. Jae flatterte, sofort alarmiert. Kiara öffnete die Tür und behielt eine Hand in der Nähe ihres Dolchs, den sie in einer Scheide unter ihrem Ärmel verbarg.
König Kalcen von der Ostmark stand im Gang vor ihrer offenen Tür. »Ihr seid mit jedem Zoll die Tochter Eurer Mutter.«
»Eure Majestät!«, brachte Kiara hervor und erinnerte sich daran, zu knicksen. »Bitte, kommt doch ins Wohnzimmer. Ich habe auf Vater gewartet.«
Kiara sah auf den Mann, den sie nur durch Briefe kannte. Sie konnte Viata in seinen Zügen erkennen. Er hatte die gleichen dunklen Augen, die Kiara von ihrer Mutter geerbt hatte, und die gleiche schöne, braune Haut und den gleichen moschusartigen Duft, der oft an seinen Briefen gehangen hatte. Ein Duft, den Kiara mit Viata in Verbindung brachte. Alles an Kalcen schien sofort exotisch zu sein und herzzerreißend familiär. Kiara wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Meine Liebe, es tut so gut, Euch endlich mit eigenen Augen zu sehen. Das Bild, das Ihr geschickt habt, wird Euch nicht gerecht.«
Kiara wurde rot und schlug die Augen nieder. Sie nahm Kalcens Hand und setzte sich mit ihm ans Feuer. Jae hüpfte von ihrer Schulter herunter und schnüffelte an Kalcen, der hinunterlangte, um den Gyregon sanft zu berühren. Befriedigt rollte sich Jae vor dem Feuer zusammen. »Ich kann gar nicht glauben, dass Ihr hier seid.«
Kalcen grinste. »Ich hätte die Einladung von Margolan beinahe nicht angenommen. Aber ich konnte Eure Einladung nicht ausschlagen.« Er sah sie einen Moment schweigend an.
»Es ist ein ganzes Leben zu erzählen, und unsere Zeit ist kurz. Aber ich bin um Viatas willen genauso gekommen wie um Euretwillen. Unser Vater war ein großer Krieger und in vielen Beziehungen ein guter König. Aber er war auch ein Mann seiner Zeit, der einigen Ideen nachhing, die heutzutage nicht mehr sehr nützlich sind. Ich denke, am Ende hat er vielleicht die Art und Weise bedauert, in der er Viata behandelt hat, aber er war zu stolz, um um Vergebung zu bitten. Auch wenn ich mich immer bemüht habe, in seine Fußstapfen zu treten, habe ich stets versucht, aus seinen Fehlern zu lernen.«
Kiara biss sich auf die Lippen. »Mutter hat Euch schrecklich vermisst«, sagte sie schließlich und ihre Stimme war brüchig. Sie sprach Märkisch und Kalcen sah überrascht auf. »Sie hat nur wenig von ihrem Vater gesprochen. Aber in all den Jahren, die sie in Isencroft gelebt hat, vergaß sie nie ihre ostmärkische Herkunft. Es lag ihr im Blut. Und auch, wenn sie alles getan hat, um sich an ihr neues Heim anzupassen, ich denke, sie wäre glücklicher gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass die Ostmark ihr immer noch offen gestanden hätte.«
»Dass Ihr unsere Sprache so gut sprecht wie eine Einheimische, ist Zeugnis genug dafür, um zu wissen, dass Ihr die Wahrheit sagt. Ich war noch ein Junge, als Viata und Donelan davonliefen. Mein Herz war gebrochen – ich liebte sie so sehr. Und ich sah Vaters Zorn mit Schrecken und fürchtete, dass etwas Furchtbares geschehen müsse. Ich habe nicht wirklich verstanden, dass wir beinahe in den Krieg gezogen wären. Ich wusste nur, dass Vi vielleicht verletzt
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