Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
werden könnte.«
»All die Jahre habt Ihr ihr geschrieben.«
»Das war nicht leicht – ich musste die Briefe aus der Ostmark und wieder hineinschmuggeln lassen. Vater hätte einen Anfall bekommen, wenn er davon erfahren hätte. Er war nicht gerade ein versöhnlicher Mensch«, sagte er mit einem dünnen Lächeln. »Als ich erfuhr, dass sie gestorben war, habe ich allein getrauert. Vater hatte schon Jahre zuvor ihr Begräbnis angeordnet – als sie einen Ausländer heiratete.«
Alte Wut loderte in Kiara auf. »Warum war das ein solches Verbrechen? Mutter wollte nie davon reden, aber wie hat das die Winterkönigreiche an den Rand des Krieges bringen können?«
Kalcen sah so lange ins Feuer, dass Kiara fürchtete, er könnte nichts sagen. »Die Ostmark ist ein altes Königreich und hat ein stolzes Volk«, sagte er endlich. »Wir Könige der Ostmark können unsere Linie bis in die alten Tage zurückverfolgen, zu den Kriegsherren der südlichen Ebenen. Die alten Sagen berichten, dass zu der Zeit, in der unsere Ahnen das Land gefunden haben, das heute die Ostmark ist, sie den Stawar-Gott mitbrachten, einen der alten Götter, die jetzt vergessen sind. Die Lady wollte uns keinen Frieden geben, bis der Stawar-Gott sich einverstanden erklärte, ihr Gefährte zu werden. Deshalb beten wir die Geliebte an. Die Erinnerung an den Stawar-Gott ist verblasst. Aber er hat uns seine Haut gegeben, als Zeichen dafür, dass wir uns daran erinnern, wer wir sind.
Die alten Legenden sagen auch, dass man die Ehre und die Stärke eines Mannes daran erkennen kann, wie dunkel seine Haut ist – dass die, die dem grimmigen, weisen, mutigen Stawar-Gott am ähnlichsten sind, sein Zeichen tragen. Und für Generationen – auch wenn die Ostmark es anderen immer erlaubte, im Königreich zu dienen, zu leben und zu handeln – war es unter Todesstrafe verboten, einen Ausländer zu heiraten. Wir waren eifersüchtige Wächter des Zeichens des Stawar-Gottes.«
Kiara war sich sofort bewusst, wie blass sie im Vergleich mit Kalcen wirkte, auch wenn sie in Isencroft so braun war wie die, die sich ihren Lebensunterhalt unter freiem Himmel verdienten. »Es war undenkbar, dass Viata mit einem Ausländer davonlief, selbst wenn sein Ruf so hervorragend war wie der der Donelans. Vater konnte nicht glauben, dass jemand, der nicht von unserem Blut war, so tapfer, so weise oder so stark wie die Söhne der Ostmark sein könnte.« Er sah sie entschuldigend an. »Es gibt einen Ausdruck bei uns, den ich nicht aussprechen möchte. Aber er bezeichnet, was Vater von Ausländern dachte.«
»Sathirinim«, murmelte Kiara und Kalcen zuckte zusammen, als sie es sagte. »Leichenfleisch. Ich habe den Botschafter der Ostmark das einmal zu Mutter sagen hören, bevor sie ihn vom Palast verbannte.«
»Alte Sitten sterben langsam, Kiara.« Kalcens dunkle Augen suchten um Verständnis heischend die ihren. »Ich will Vater nicht entschuldigen. Er nahm seinen Glauben ernst. Aber er hat sich gründlich vertan.« Kalcen nahm ihre Hände in seine. »Es war die Kriegsdrohung Margolans, die Vater zurückweichen ließ. Selbst in seinen letzten Jahren träumte er davon, dich irgendwie aus Isencroft herauszuholen und dich an einen der Ostmark-Adligen zu verheiraten, um das Blut wiederherzustellen.«
Kalcen schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf. »Ich kannte meine Schwester. Ich wusste, dass Vi sich einen guten Mann aussuchen würde, einen Mann, der ein so guter König sein würde wie jeder unserer Vorfahren. Später, als ich erwachsen war und in den Krieg zog, habe ich gesehen, dass das Blut der angeheuerten ausländischen Truppen die gleiche Farbe hatte wie unseres und sie genauso gut kämpften. Und ich wusste, dass ein Mann nicht an der Farbe seiner Haut gemessen werden kann.
Aber es ist das eine, etwas in seinem Kopf zu wissen. Etwas anderes ist es, es in seinem Herzen zu fühlen. Und deshalb bin ich um Viatas willen gekommen, um dich zu sehen und König Martris zu treffen. Ich musste selbst sehen, ob er ein Mann von Ehre ist. Meine Seher sprechen von Stürmen und Dunkelheit. Ich glaube, es ist Zeit für die Ostmark, die Allianzen zu schmieden, die Vater nie eingehen wollte. Donelan und ich sind Verbündete geworden. Staden und ich beginnen gerade mit Gesprächen. Ich hoffe, dass Margolan und die Ostmark einen Vertrag schließen können.« Er sah ihr ernst in die Augen. »Das tue ich sowohl für dich als auch für Vi. Es ist Zeit, die alten Sitten hinter sich zu
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