Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
Menschen im Zug oder Bus, im Aufzug oder auf der Rolltreppe, in Geschäften, an Theken, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause, und wir stellen eine winzige Verbindung her, die unmittelbar darauf wieder zerbricht. Für den Bruchteil einer Sekunde nehmen wir die Existenz eines anderen Menschen wahr, begreifen einen Augenblick lang die Tatsache, dass er ein Leben hat, eine Geschichte, eine Vergangenheit, die ihn unweigerlich zu diesem Moment führte, in dem wir eine Verbindung mit ihm eingehen. Und dann, ebenso rasch, löst sich die Verbindung wieder auf, unsere Blicke wenden sich ab, und wir gehen wieder getrennte Wege, unserer jeweiligen Zukunft entgegen.
Doch jetzt, da ich in Dominics Augen schaue, ist es, als ob ich ihn kenne, obwohl er ein Fremder ist. Als ob es völlig egal sei, dass wir unterschiedlich alt sind, von unterschiedlicher Herkunft. Auf eine seltsame Art und Weise fühlt es sich so an, als ob wir uns kennen.
Die Welt um uns herum fällt auseinander und versinkt. Ich nehme nur noch seine Hand auf meiner wahr, den Strom der Erregung, der durch meinen Körper schießt, das tiefe Gefühl der Verbundenheit. Ich blicke in Augen, die mich bis zum Kern meines Seins zu durchdringen scheinen, ja, mich intim zu kennen scheinen. Mich überkommt in diesem Augenblick die Gewissheit, dass er mich versteht. Und ich bin sicher, dass er ebenso empfindet wie ich.
Es scheint, als seien wir unendlich lange in diesem Moment erstarrt, aber es können nur wenige Sekunden vergangen sein. Mir wird unsere Situation bewusst, ich kehre wie ein Schwimmer nach einem langen Tauchgang an die Oberfläche zurück und frage mich in zitternder Erwartung, was nun geschehen wird.
Dominic wirkt gleichzeitig unbeholfen und erstaunt, als ob etwas, womit er nie gerechnet hätte, gerade eben geschehen sei. Er öffnet den Mund und will etwas sagen, aber da hören wir ein Geräusch im Flur. Dominic schaut zur Tür, und ich drehe mich um, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie eine Frau eintritt. Sie trägt einen langen, dunklen Pelzmantel, trotz des warmen Abends. Und sie wirkt verärgert.
»Wo zur Hölle bleibst du denn?«, verlangt sie zu wissen, als sie das Wohnzimmer betritt, dann bleibt sie bei meinem Anblick ruckartig stehen. Sie mustert mich mit scharfem Blick. »Oh.« Dann wendet sie sich an Dominic. »Wer ist das?«
Der Zauber, unsere Verbundenheit, ist gebrochen. Hastig nimmt er seine Hand von meiner. »Vanessa, darf ich dich Beth vorstellen? Beth, das ist meine Freundin Vanessa.«
Ich murmele leise einen Gruß. Es ist die Frau, die ich schon zuvor gesehen habe. So lautet also ihr Name. Vanessa. Das passt zu ihr.
»Beth wohnt direkt gegenüber«, fährt Dominic fort. Er ist sehr selbstbeherrscht, aber ich spüre, dass er unter der ruhigen Oberfläche ein klein wenig nervös ist. »Ich habe sie in guter Nachbarschaft auf eine Tasse Kaffee eingeladen.«
Vanessa nickt mir zu. »Wie galant«, meint sie kühl. »Aber waren wir nicht vor zwei Stunden verabredet?«
»Ja, tut mir leid. Hast du meine SMS nicht erhalten?«
Mir fällt auf, dass er nicht erwähnt, wie er mir in den dunklen Straßen von Soho zu Hilfe geeilt ist.
Sie starrt ihn an, teilt ihm offensichtlich telepathisch mit, dass sie vor mir nicht darüber reden will. Ich springe sofort auf.
»Ich danke Ihnen sehr für den Kaffee, Dominic, das war wirklich nett von Ihnen. Jetzt sollte ich gehen. Ich darf De Havilland nicht zu lange allein lassen.«
»De Havilland?«
»Celias Katze.«
Vanessa schaut amüsiert. »Sie müssen sich um die Katze kümmern? Wie süß. Tja, dann sollten wir Sie wirklich nicht länger aufhalten.«
Dominic steht ebenfalls auf. »Ganz sicher, Beth? Möchten Sie nicht erst Ihren Kaffee austrinken?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, besser nicht. Aber recht herzlichen Dank.«
Er begleitet mich in den Flur, und als er mir meinen Mantel reicht, schaue ich wieder in diese dunklen Augen. Ist dieser Moment zwischen uns wirklich passiert? Dominic scheint mir wieder wie zuvor: ein freundlicher, höflicher Fremder. Und doch … in diesen dunklen Tiefen schlummert immer noch etwas.
»Passen Sie auf sich auf, Beth«, sagt er leise, als er mich zur Tür bringt. »Wir sehen uns bald wieder, da bin ich sicher.«
Dann beugt er sich vor und streift ganz leicht mit den Lippen über meine Wange. Als sich unsere Gesichter berühren, kann ich mich nur unter größter Anstrengung davon abhalten, mich ihm nicht direkt zuzudrehen, damit er meine Lippen küssen
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