Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fire - Thriller

Fire - Thriller

Titel: Fire - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
so, als machte ich eine religiöse Erfahrung.
    Ich saß mit guten Menschen zusammen, die sich in einer schrecklichen Situation befanden, für die sie keine Schuld traf.
    Dennoch unterhielten sie sich offen über die Grenzstreitigkeiten der gewaltsamen Art. Eine Frau erzählte stolz, wie man in ihrem Dorf mit Verbrechern umging: Sie rannten auf den mutmaßlichen Täter zu, stachen ihn nieder und legten einen mit Benzin gefüllten Reifen um seinen Hals, den sie anzündeten. Keine Gerichtsverhandlung, keine DNA-Tests und offenbar kein Schuldgefühl seitens der Bürgerwehr.
    Adanne und ich wurden wie Ehrengäste behandelt. Ein ständiger Strom von Gästen zog an uns vorbei, und viele Hände wurden uns aufgelegt.
    Als Emmanuel nicht in der Nähe war, um zu übersetzen, bekam ich aus den herzlichen Stimmen und der Körpersprache ein Gefühl für Dinka oder Arabisch.
    Mehrmals hörte ich in der Mitte eines Satzes ein Wort, das wie »Ali« klang. Auch Adanne war es aufgefallen.
    Sie beugte sich zu mir herüber und sagte: »Sie glauben, Sie sehen aus wie Muhammed Ali.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich, Alex. Sie sehen aus wie er, als er Weltmeister war. Er wird hier immer noch geliebt.« Lächelnd deutete sie mit dem Kinn zu einer Gruppe jüngerer Frauen, die sich in der Nähe aufhielten. »Ich glaube, Sie haben außerdem ein paar Freundinnen gewonnen.«
    »Macht Sie das eifersüchtig?«, fragte ich und grinste glücklicher und entspannter, als ich es in den letzten Tagen je gewesen war.
    Ein kleines Mädchen krabbelte unaufgefordert auf ihren Schoß und rollte sich zusammen. »Dieses Wort gibt es in meinem Wortschatz nicht«, antwortete sie. »Vielleicht ein bisschen«, räumte sie ein. »Zumindest heute Abend.«
    Ich mochte Adanne sehr. Sie war mutig und energiegeladen. Vater Bombata hatte recht: Sie war ein guter Mensch. Sie hatte heute ihr Leben für die Holzsammlerinnen riskiert, vielleicht auch, weil sie sich für mich verantwortlich fühlte.
    Wir blieben bis spätabends, wobei die Menge beständig größer wurde. Doch eigentlich waren es die Erwachsenen, die kamen und gingen, während die Kinder bei uns blieben. Dieser Zuhörerschaft konnte ich nicht widerstehen, ebenso wenig wie Adanne. Kindern gegenüber verhielt sie sich sehr frei und offen.
    Ich erhob mich und erzählte mit Emmanuels Hilfe eine improvisierte Version einer der Lieblingsbettgeschichten meiner eigenen Kinder.
    Sie handelte von einem kleinen Jungen, der sich nichts sehnlicher wünschte als Pfeifen zu lernen. Diesmal nannte ich ihn Deng.
    »Und Deng versuchte …« Ich blies meine Backen auf, woraufhin sich die Kinder vor Lachen bogen, als hätten sie nie etwas Lustigeres gehört. Vielleicht gefiel es ihnen, dass ich Quatsch machen und über mich selbst lachen konnte.
    »Und er versuchte …« Ich riss die Augen auf und blies direkt in ihre Gesichter. Ihr Lachen machte mich mehr als zufrieden, es war wie eine Oase inmitten der Geschehnisse, die mir seit meiner Ankunft in Afrika zugestoßen waren.
    »Sie mögen wohl Kinder?«, fragte Adanne, nachdem ich die Geschichte beendet und mich wieder neben sie gesetzt hatte. Tränen standen in ihren Augen vom Lachen.
    »Oh, ja. Haben Sie Kinder, Adanne?«
    Sie schüttelte den Kopf und blickte mir in die Augen. »Ich kann keine Kinder bekommen«, erklärte sie schließlich. Ich wurde … als ich sehr jung war … wurde ich vergewaltigt. Sie haben den Stil einer Schaufel verwendet. Es ist nicht wichtig. Für mich jedenfalls nicht mehr.« Sie lächelte. »Ich habe trotzdem meinen Spaß mit Kindern. Und mir gefällt es, wie Sie mit ihnen umgehen.«

89
    Was in der nächsten Minute geschah, war so unwirklich, dass es eigentlich nicht hätte passieren können. Nicht an diesem Abend. Auch nicht an einem anderen.
    Die Janjaweed waren zurückgekommen, tauchten wie aus dem Nichts auf, wie Geister aus der Dunkelheit, und griffen aus dem Hinterhalt das Lager direkt an.
    Ihre Zahl ließ sich kaum einschätzen, es mussten aber mehrere Dutzend sein. Einen Mann glaubte ich wiederzuerkennen – denjenigen, den ich freigelassen und der mich ausgelacht hatte.
    Die Janjaweed waren zu Fuß gekommen – ohne Pferde oder Kamele. Sie waren mit Feuerwaffen, aber auch Messern und Kamelpeitschen ausgerüstet. Einige schwangen ihre Speere.
    Ein Mann schwenkte eine sudanesische Flagge, als handelten sie im Staatsauftrag, was sie vielleicht tatsächlich taten. Ein anderer trug eine Flagge mit einem weißen Reiter auf blauem Hintergrund, dem Symbol

Weitere Kostenlose Bücher