Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Oregon besuchen und jedes Mal hat er versucht, mich dazu zu bringen, mit ihm heimzukommen.« Nun wird ihr Lächeln traurig. »Er hat es mir nicht leicht gemacht.«
Sie blickt mir direkt ins Gesicht. »Ich wollte dem Rudel entkommen, Jacinda. Sogar damals schon. Für mich war es nie das Richtige, aber dein Dad hat mich zweifeln lassen. Deshalb bin ich weggelaufen und hierhergekommen.«
»Hierher?«
»Ich dachte, hier würde dein Dad mich nicht finden.«
Ich reibe mir über den Arm, schon jetzt fühlt sich meine Haut trocken und spröde an. »Klingt logisch.«
»Fast sofort hat mein Draki aufgehört, sich zu regen. Ein paarmal hab ich es nicht mehr ausgehalten und einen Ausflug riskiert, aber plötzlich ist es mir schwergefallen, mich zu verwandeln. Mein Plan funktionierte. Ich war auf dem besten Weg, ein Mensch zu werden.«
»Aber dann bist du zurückgegangen.«
»Schließlich musste ich der Realität ins Auge sehen. Ich wollte zwar das Rudel aufgeben, aber deinen Vater habe ich vermisst. Er konnte nicht ohne seinen Draki leben und ich nicht ohne ihn.«
Ich starre auf die Wasseroberfläche, die ohne die leichteste Brise totenstill daliegt, und versuche mir vorzustellen, wie es ist, jemanden so sehr zu lieben. So sehr, dass man alles für ihn aufgeben würde. Mum hat das getan.
Könnte nicht auch ich ein Opfer für die bringen, die ich liebe? Für Mum und Tamra? Dad habe ich schon verloren. Würde ich wirklich auch sie verlieren wollen?
In diesem Moment muss ich an den Jäger, an Will, denken. Keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil er mich hat entkommen lassen. Obwohl er mich nicht einmal gekannt hat, hat er mich gehen lassen. Obwohl er eigentlich dazu ausgebildet ist, das Gegenteil zu tun. Damit hat er das unterdrückt, was ihm zweifelsfrei als das Natürlichste überhaupt erscheinen muss: meine Art zu jagen und zu vernichten. Wenn er sich von seiner Welt lossagen konnte, dann kann ich es vielleicht auch. Ich kann genauso stark sein.
Mum redet weiter auf mich ein. »Ich weiß, im Moment ist das alles schwer zu akzeptieren. Deshalb habe ich auch diese Stadt hier ausgesucht. Die Wüste wird dir die Entscheidung abnehmen, letzten Endes.«
Letzten Endes. Ich muss also nur abwarten, bis mein Draki tot ist. Wäre das eine Erleichterung? Werde ich Mum tatsächlich eines Tages dafür danken, wie sie es sich scheinbar denkt?
Sie tätschelt mir das Knie. »Komm mit rein. Ich will mit dir und deiner Schwester ein paar Dinge besprechen, bevor wir euch an der Schule anmelden.«
Allein bei dem Gedanken zieht sich mir die Brust zusammen, aber ich stehe trotzdem auf, weil ich an all das denken muss, was Mum für mich aufgegeben hat, was sie verloren hat. Genau wie Tamra. Meine Schwester hat noch nie etwas Eigenes gehabt. Es wird endlich Zeit, dass sich das ändert. Für beide.
»Jacinda Jones, komm doch bitte nach vorne und stell dich vor.«
Bei diesen Worten wird mir ganz flau im Magen. Es ist die dritte Stunde, was heißt, dass ich das nun schon zum dritten Mal durchmachen muss.
Ich rutsche von meinem Stuhl, steige über Schulranzen und gehe vor zur Tafel, wo ich mich neben Mrs Schulz stelle. Mit einem Schlag richten sich dreißig Augenpaare auf mich.
Letzten Freitag hat Mum uns hier angemeldet. Sie hat darauf bestanden und meinte, dass es an der Zeit sei. Die Highschool zu besuchen sei der erste Schritt, uns anzupassen. Der erste Schritt zur Normalität. Tamra hat keine Angst davor, sie ist total begeistert von der Idee. Ich wünschte, mir würde es genauso gehen, aber ich habe die ganze letzte Nacht wach gelegen und mit einem unguten Gefühl im Bauch über unseren ersten Schultag nachgegrübelt.
Ich habe an das Rudel gedacht und an alles, was wir aufgegeben haben. Was macht es schon, dass es verboten ist, tagsüber zu fliegen? Wenigstens konnte ich dort überhaupt fliegen. Angesichts dieser neuen Wirklichkeit erscheinen die Regeln des Rudels, gegen die ich immer rebelliert habe, nur noch halb so wild. Ich weiß nicht mal mehr genau, warum ich mich so sehr gegen Cassian gewehrt habe. Ging es dabei nur um Tamra? Oder gab es einen anderen Grund, dass ich nicht mit ihm zusammen sein wollte?
Um mich herum sind lauter Teenager. Menschliche Teenager. Zu Hunderten. Sie plappern ohne Unterbrechung, und das ziemlich laut. Außerdem ist die Luft voll von unechten, widerlich süßen Gerüchen – für einen Draki die reinste Hölle.
Nicht, dass ich niemals in der Außenwelt, unter Menschen, hätte leben wollen.
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